Gynäkologische Onkologie – Bösartige Erkrankungen der weiblichen Geschlechtsorgane
Als weibliche Genitalkarzinome werden Tumoren von Vulva, Vagina, Gebärmutterhals und -körper und von den Eierstöcken bezeichnet. Die Behandlung dieser Tumoren besteht in vielen Fällen aus aufwändigen, anspruchsvollen Operationen und eventuell zusätzlich aus Chemo- und Strahlentherapie. Ein solches multimodales Therapiekonzept kann nur durch Einbindung mehrerer medizinischer Fachdisziplinen in optimaler Weise erfolgen. Am Krankenhaus Nordwest arbeitet das Gynäkologische Krebszentrum eng mit dem Interdisziplinären Onkologischen Zentrum (IOZ) zusammen.
Da Krebs eine Erkrankung des höheren Lebensalters ist, ist bei steigender Lebenserwartung und einer alternden Gesellschaft mit einem weiteren Anstieg der Anzahl erkrankter Patienten zu rechnen, was die Wichtigkeit einer weiteren Optimierung der diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten unterstreicht. Seit ca. zehn Jahren ist es erfreulicherweise bei den gynäkologischen Tumoren erstmals zu einem Rückgang der Todesfälle gekommen. Dieses Phänomen ist Ausdruck der Summe von Verbesserungen auf den Gebieten der Vorsorge und Früherkennung und der sogenannten multimodalen Tumortherapie, die sich aus Operation, Bestrahlung und medikamentöser Behandlung zusammensetzt und je nach Tumorentität und Patientin Teile eines jeweils individuell zusammengestellten Therapieplanes sind.
Eine zeitgemäße Tumortherapie sollte schonend, zielgerichtet und für die Patientin individuell maßgeschneidert sein und unter Einbindung aller relevanten medizinischen Fachdisziplinen wie Gynäkologie, Pathologie, Radiologie, Onkologie, Psychoonkologie durchgeführt werden.
Eine enge Vernetzung aller in die Behandlung onkologischer Patientinnen involvierten Fachdisziplinen wie gynäkologische Onkologen, Viszeralchirurgen, Urologen, internistische Onkologen, Strahlentherapeuten und Pathologen ist somit sichergestellt. Regelmäßig stattfindende interdisziplinäre Tumorkonferenzen gewährleisten, dass unsere Patientinnen optimal therapiert und betreut werden. Da eine Krebserkrankung nicht nur das jeweilige Organ, sondern den ganzen Körper betrifft, legen wir großen Wert auf eine Einbindung von Psychoonkologen, Physiotherapeuten und Krebssporttherapeuten in die Behandlung unserer Patientinnen im Sinne eines ganzheitlichen Therapiekonzepts.
Größte Anstrengungen der Forschung in den letzten sieben Jahrzehnten, die mit finanziellen Aufwendungen kaum gekannten Ausmaßes unterstützt wurden, erzielten zwar einen immensen Erkenntnisgewinn in der Molekularbiologie, aber bisher leider keine deutlich verbesserte Prognose für die meisten Krebspatientinnen. Dies ist zum einen der Tatsache geschuldet, dass der Begriff „Krebs“ für eine Vielzahl von Tumorerkrankungen unterschiedlicher Genese steht, so dass es das von den Medien oftmals herbeigesehnte „Heilmittel gegen den Krebs“ unmöglich geben kann. Die komplizierten molekularen Mechanismen der Tumorgenese waren schwerer zu verstehen als erwartet.
Gynäkologisches Krebszentrum am Krankenhaus Nordwest
Das Gynäkologische Krebszentrum am Krankenhaus Nordwest arbeitet eng mit den onkologischen Fachdisziplinen unter dem Dach des Interdisziplinären Onkologischen Zentrums zusammen. Ziel ist die Zertifi zierung als sogenanntes Organkrebszentrum durch das Zertifzierungsinstitut OnkoZert der Deutschen Krebsgesellschaft e.V.
Die Behandlung von Krebserkrankungen hat lange Tradition am Krankenhaus Nordwest. Auf dieser Basis entstand das Interdisziplinäre Onkologische Zentrum – hier wird Zusammenarbeit gelebt. Mit seinen sieben Fachzentren bietet das Interdisziplinäre Onkologische Zentrum (IOZ) eine moderne und übergreifende Behandlungsstruktur für Krebspatienten. Experten arbeiten disziplinübergreifend zusammen, um die optimale Versorgung der Patienten zu gewährleisten. Darüber hinaus bietet das Krankenhaus Nordwest ein breites Spektrum unterstützender Maßnahmen.
Drei der Organkrebszentren und das Interdisziplinäre Onkologische Zentrum am Krankenhaus Nordwest hat das Zertifzierungsinstitut OnkoZert der Deutschen Krebsgesellschaft e.V. im Rahmen eines Überwachungsaudits zertifi ziert. Damit haben das Interdisziplinäre Onkologische Zentrum, das Darmkrebs-, das Pankreaskrebs- und das Prostatakarzinomzentrum bewiesen, dass sie die hohen Qualitätsstandards der Deutschen Krebsgesellschaft erfüllen.
Gebärmutterkrebs
Gebärmutterkrebs ist der häufigste Genitalkrebs der Frau. Diese Erkrankung hat aber eine gute Prognose mit Überlebensraten von mehr als 80 Prozent. Er betrifft überwiegend ältere Patientinnen und weist als charakteristisches Frühsymptom fast immer die vaginale Blutung in der Postmenopause auf, so dass in diesem Fall immer eine Ausschabung zur Diagnosesicherung erfolgen muss. In frühen Stadien ist eine Entfernung der Gebärmutter und beider Eierstöcke die Therapie der Wahl. In fortgeschrittenen Stadien ist die Entfernung der Lymphknoten an den großen Bauchgefäßen, eventuell auch des großen Bauchnetzes notwendig. Sowohl die Entfernung der Gebärmutter als auch die Entfernung der Lymphknoten kann in den meisten Fällen minimal invasiv, also durch eine Bauchspiegelung (Laparoskopie), erfolgen. Dies hat eine deutlich schnellere Erholung und einen kürzeren Aufenthalt im Krankenhaus zur Folge. In fortgeschrittenen Stadien sind zusätzlich zur Operation eine Bestrahlung des Scheidenendes und des Beckens sowie eine Chemotherapie erforderlich.
Eierstockkrebs
Eierstockkrebs wird leider häufig erst in fortgeschrittenen Stadien der Erkrankung entdeckt, da zurzeit noch keine Vorsorge existiert und der Tumor selten Frühsymptome verursacht. Typische Symptome des Eierstockkrebses wie Bauchumfangszunahme, Gewichtsverlust, Verdauungsstörungen treten erst auf, wenn sich der Tumor in der gesamten Bauchhöhle ausgebreitet hat. Aus diesem Grund ist eine ausgedehnte Operation am offenen Bauch für die betroffenen Patientinnen die wichtigste Maßnahme. Die besten Chancen auf Heilung hat die Patientin, wenn alle Tumormanifestationen in der Bauchhöhle entfernt werden. Dies setzt ein erfahrenes Operationsteam voraus, das meistens aus einem gynäkologischen Onkologen und einem Bauchchirurgen besteht. Zusätzlich zur Operation erhalten die meisten Patientinnen eine klassische Chemotherapie und ausgewählte Patientinnen in jüngerer Zeit zusätzlich eine zielgerichtete Therapie mit monoklonalen Antikörpern. Aktuell wurden vielversprechende Ergebnisse mit einer sogenannten HIPEC-Behandlung erzielt. Die Chemotherapie wird während der Operation direkt in die Bauchhöhle appliziert. Dadurch verspricht man sich höhere Wirkstoffspiegel der Medikamente direkt in der Bauchhöhle und damit eine bessere Wirksamkeit gegen eventuell verbliebene mikroskopisch kleine Tumorreste. Dieses innovative Verfahren steht an unserem Krankenhaus zur Verfügung.
Gebärmutterhalskrebs
Gebärmutterhalskrebs ist in den westlichen Industrieländern durch entsprechende Vorsorgeprogramme vergleichsweise selten. Dennoch sind in Deutschland jährlich mehr als 5.000 Patientinnen von dieser Erkrankung betroffen. Bei Auffälligkeiten während der Abstrichuntersuchung oder bei entsprechenden Symptomen (Kontaktblutung, Zwischenblutung, übelriechender Ausfluss) sollte zunächst eine Gewebeprobe entnommen oder eine Konisation durchgeführt werden. Bei Bestätigung der Diagnose Gebärmutterhalskrebs wird nach entsprechender Bildgebung (Becken-MRT) in den meisten Fällen eine Entfernung der Beckenlymphknoten mittels einer Bauchspiegelung durchgeführt. In ausgewählten Fällen ist auch lediglich die Entfernung des Wächterlymphknotens ausreichend, was die Operation noch schonender gestaltet. Falls die Beckenlymphknoten nicht tumorbefallen sind, erfolgt die Entfernung der Gebärmutter, einer Scheidenmanschette und der Haltebänder der Gebärmutter. Hat sich der Krebs auf die Beckenlymphknoten ausgebreitet, sollte man die Lymphknoten an der Aorta entfernen (ebenfalls per Bauchspiegelung), die Gebärmutter belassen und eine Bestrahlung kombiniert mit einer milden Chemotherapie durchführen. Sowohl die Gebärmutterentfernung als auch die Bestrahlung haben die definitive Heilung der Patientin zum Ziel. Nach Möglichkeit sollte, von Ausnahmefällen abgesehen, entweder die Gebärmutterentfernung oder die Bestrahlung durchgeführt werden, da so die Behandlung für die Patientin mit weniger Nebenwirkungen belastet ist. Bei jungen Patientinnen können die Eierstöcke belassen werden, damit die Hormonproduktion erhalten bleibt. Bei Patientinnen mit Kinderwunsch und kleinem Tumor kann in Ausnahmefällen eine gebärmuttererhaltende Operation (Konisation oder Trachelektomie) durchgeführt werden. Nach Realisierung des Kinderwunsches sollte allerdings die definitive Operation erfolgen.
Vulvakarzinom
Das Vulvakarzinom (Scheidenkrebs) betrifft hauptsächlich Frauen im höheren Lebensalter, auch wenn in den letzten Jahren vermehrt jüngere Patientinnen erkrankt sind. Klinische Symptome des Vulvakarzinoms sind: Juckreiz des äußeren Genitals, tastbarer Tumor der Schamlippenregion (evtl. exulzeriert), übelriechender Fluor durch Tumorzerfall, Schmerzen im Vulvabereich, Schmerzen beim Wasserlassen und beim Geschlechtsverkehr, tastbare, vergrößerte Leistenlymphknoten. Generell sollte jeder unklare Befund der Vulva großzügig durch Gewebebiopsien in Lokalanästhesie abgeklärt werden.
Die Operation ist die wichtigste therapeutische Maßnahme beim Vorliegen eines Vulvakarzinoms. Das Ziel der Operation ist eine sichere chirurgische Sanierung mit Entfernung des Tumors weit im Gesunden
bei gleichzeitigem Funktionserhalt. Wegen der unterschiedlichen Größe und Lokalisation der Tumoren sowie des Alters und der Komorbiditäten der Patientinnen hat sich heute eine individualisierte operative Therapie durchgesetzt. Während in früheren Jahren bei den meisten Patientinnen zusätzlich die Leistenlymphknoten komplett entfernt wurden, ist heutzutage die Wächterlymphknotenbiopsie der Leiste eine schonende Therapieoption für Patientinnen mit kleineren Karzinomen. Zusätzlich zur Operation sollte in fortgeschrittenen Stadien und bei Lymphknotenbefall eine Bestrahlung durchgeführt werden.
Rezidivchirurgie bei Genitalkarzinomen
Die meisten Rezidive (Rückfälle) bei Unterleibskrebs galten früher als nicht mehr heilbare Erkrankungen. Dank neuer Operationstechniken und einer verbesserten postoperativen intensivmedizinischen Überwachung kann in vielen Fällen heute zumindest eine deutliche Lebensverlängerung bei guter Lebensqualität erreicht werden.
Bei Patientinnen mit Ovarialkarzinomrezidiv ist die radikale Reduktion der Tumorlast durch Resektion des Bauchfells eventuell kombiniert mit einer lokalen Chemotherapie während der Operation (HIPEC-Behandlung) vielversprechend. Im Anschluss daran kann durch eine Systemtherapie mit teilweise neuen hochwirksamen Medikamenten (z. B. mit PARP-Inhibitoren) nachbehandelt werden.
Bei Lokalrezidiven von Gebärmutter- und Gebärmutterhalskrebs können in ausgewählten Patientengruppen durch exenterative Eingriffe in früher als unheilbar eingestuften Situationen bei rund 20 Prozent der Patientinnen dauerhafte Heilung erzielt werden. Allerdings müssen derart radikale, komplikationsbehaftete Eingriffe individuell mit den dafür in Frage kommenden Patientinnen besprochen und geplant werden.