Make it in Germany
Die Sicherung einer guten Pflegeversorgung ist eine der wichtigsten gesellschaftspolitischen Aufgaben, zu der die Stiftung Hospital zum Heiligen Geist mit ihrer Ausbildungsstätte für Gesundheits- und Kranken- bzw. Kinderkrankenpflege und Krankenpflegehilfe, der Agnes-Karll-Schule, maßgeblich beiträgt. Da der Bedarf mittel- und langfristig jedoch weder durch einheimische Kräfte noch durch Arbeitskräfte aus EU-Mitgliedsstaaten gedeckt werden kann, beteiligt sich die Stiftung am Modellvorhaben, dass die Ausbildung von jungen Menschen aus Vietnam in der Krankenpflege erprobt. Das Projekt wird gefördert vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi), durchgeführt von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und unterstützt von der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung (ZAV) der Bundesagentur für Arbeit (BA).
In Deutschland herrscht im Pflegesektor ein sehr großer Fachkräftebedarf. Nach Expertenschätzung wird im Zuge des demografischen Wandels die Zahl der Pflegebedürftigen in Deutschland von derzeit ca. 2,3 Millionen bis 2030 auf rund 3,4 Millionen steigen. Nach einer Studie des Instituts für europäische Gesundheits- und Sozialwirtschaft (IEGUS) und des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI) von 2015 werden bis zum Jahr 2030 allein in der Altenpflege (stationäre und ambulante Pflege) über 200.000 zusätzliche Pflegekräfte gebraucht.
Im September 2017 landeten 23 Vietnamesen am Frankfurter Flughafen, um im Oktober mit dem neuen Ausbildungsjahrgang an der Agnes-Karll-Schule ihre Ausbildung zu beginnen. Schon ein Jahr zuvor wurden sie in Vietnam ausgesucht. Voraussetzung war eine abgeschlossene Ausbildung im Heimatland – fast alle Bewerber besitzen einen Hochschul- oder Uniabschluss. Nach der Auswahl durchliefen die Auserwählten ein staatlich gefördertes Qualifizierungsprogramm in Kooperation mit dem Goethe-Institut in Hanoi. Diese umfasste einen dreizehnmonatigen Sprachunterricht bis Sprachniveau B2 inklusive einer fachsprachlichen Qualifizierung, interkulturelles Training und Absolvierung eines fachlichen Zusatzmoduls zur Vorbereitung auf das Berufsbild der Pflegefachkraft in Deutschland.
„Angesichts der großen Herausforderung, den anstehenden Fachkräftebedarf in Zukunft decken zu wollen, ist es wichtig, hier neue Wege erproben. In dem Zusammenhang freue ich mich, dass Land Hessen gemeinsam mit der Stiftung Hospital zum Heiligen Geist als eines von vier Bundesländern den Zuschlag für dieses Vorreiter-Projekt bekommen hat“, betonte Stefan Grüttner, Hessischer Minister für Soziales und Integration. Der Minister betonte, dass die Auszubildenden aus Vietnam einen „wichtigen Beitrag“ dazu leisteten, zu schauen, ob sie hier Fuß fassen und arbeiten möchten und ob damit ein Teil des anstehenden Fachkräftebedarfs gedeckt werden könne. In Hessen gibt es seit August 2014 eine eigens eingerichtete Stabsstelle Fachkräftesicherung, die als zentraler Ansprechpartner auf Landesebene fungiert. Grüttner wünschte allen Auszubildenden alles Gute für ihre Ausbildung und betonte: „Ich freue mich auch über die 64 weiteren Anwärter zur Pflegefachkraft. Sie alle werden eine sehr wichtige Arbeit leisten. Ich danke Ihnen, dass Sie diesen Weg einschlagen.“
In Deutschland begleiten fachnahe Regionalkoordinatoren und vietnamesisch sprechende Mentoren die Auszubildenden und ihre Praxispartner in Beruf und Theorie. Nach einer einwöchigen Eingewöhnungsphase mit Ausflügen in die Region startete am 2. Oktober der Ausbildungsjahrgang. Die 23 Vietnamesen werden zukünftig gemeinsam mit 64 weiteren Auszubildenden – aufgeteilt auf drei Klassen – die nächsten drei Jahre ausgebildet und auf das Berufsleben vorbereitet.
„Wir haben in unserer Stiftung einen großen Bedarf an gut ausgebildeten und hoch qualifizierten Pflegekräften. Daher freuen wir uns auf das Modellvorhaben und die vietnamesischen Kollegen. Wir erhoffen uns von dem nachhaltig ausgelegtem Projekt qualifizierte und motivierte Mitarbeite und fördern mit allen Kräften die erfolgreiche Integration in den Arbeitsmarkt und in die Gesellschaft“, so Tobias Gottschalk, Direktor der Stiftung Hospital zum Heiligen Geist.
Vietnam wurde aus verschiedenen Gründen als Partnerland ausgewählt. Mit seiner sehr jungen Bevölkerung verfügt Vietnam über ein entsprechend großes Arbeitspotenzial, so dass die Abwanderung von Fachkräften keine Probleme verursacht. Zudem ist eine Verbindung der beiden Länder historisch gewachsen: Schon zu DDR-Zeiten verbanden die beiden Länder enge diplomatische Beziehungen. Zahlreiche Vietnamesen arbeiteten oder studierten damals im deutschen Osten. Auch heutzutage gelten die in Deutschland lebenden Vietnamesen gesellschaftlich als gut integriert. Dazu kommt eine gute Grundbildung und eine hohe Alphabetisierungsquote von 94 Prozent (2009). Die vietnamesische Regierung unterstützt ausdrücklich die Arbeitsmobilität von Gesundheitsfachkräften und kennt die Vorteile beruflicher Arbeitserfahrung im Ausland wie Know-how-Transfer, Rimessen (Geldüberweisungen von Migranten in ihre Herkunftsländer) etc.