Krankenhaus Nordwest

Multiprofessionelle Versorgung in der letzten Lebensphase – Das Palliative Care Team (PCT)

Viele unheilbar erkrankte Menschen mit ihrer zu erwartenden eingeschränkten Lebenszeit haben den Wunsch, möglichst selbstbestimmt in der gewohnten Umgebung zu verbleiben, um in Würde Abschied vom Leben nehmen zu können. Doch gerade bei diesen Patienten treten mitunter sehr belastende Symptome auf, die für alle Beteiligten zu einer großen Herausforderung werden können. Stoßen Angehörige und die ambulanten Versorger wie Haus- und Fachärzte, der ärztliche Bereitschaftsdienst oder ambulante Pflegedienste an ihre Grenzen, besteht die Möglichkeit, die Spezialisierte Ambulante Palliativversorgung (SAPV) einzubinden. Diese steht Patienten, Angehörigen und den beteiligten Versorgern täglich 24 Stunden an sieben Tagen in der Woche zur Seite. Unter dem Dach der Klinik für Hämatologie und Onkologie sowie dem Zentrum für Palliativmedizin am Krankenhaus Nordwest versorgt das Palliativ Care Team (PCT) seit 2009 schwerkranke und sterbende Patientinnen und Patienten. Das Spektrum der zu versorgenden Patienten geht jedoch weit über den onkologischen Bereich hinaus.

Das SAPV-Team Krankenhaus Nordwest setzt sich aus zehn Pflegekräften mit der Zusatzqualifikation Fachkraft für Palliative Care und vier verschiedenen Fachärzten mit der Zusatzbezeichnung Palliativmedizin zusammen. Um der Vielseitigkeit der Krankheitsbilder gerecht zu werden, gehören auf ärztlicher Seite ein Internist, eine Ärztin für Allgemeinmedizin, eine Neurologin und ein Hämato-Onkologe zum Team. Eine medizinische Fachangestellte vervollständigt das Team und übernimmt die umfangreichen administrativen Aufgaben rund um die Versorgung der Patienten.

Der Arbeitstag beginnt mit einer Teambesprechung und der Dienstübergabe. Hier wird der Zustand jedes Patienten individuell besprochen. Im Mittelpunkt stehen die Fragen nach der Effektivität der laufenden Symptombehandlung und der psychosozialen Situation von Patienten und Angehörigen. Der praktische Unterstützungsbedarf im häuslichen Umfeld wird reflektiert und es werden entsprechende Angebote geplant und koordiniert. Dementsprechend vielseitig sind die Formen der Zusammenarbeit mit anderen Einrichtungen und Versorgern. So bestehen enge Verbindungen zu den ehrenamtlichen Hospiz- und Palliativbegleitern der Patienten-Kontakt-Gruppe des Hauses, dem Team der Ernährungsberatung und der Physiotherapie des Therapeutikums im TRIAMEDIS Gesundheitszentrum. Diese nehmen jeweils einmal wöchentlich an den Besprechungen des PCT teil.

Das Team der Pflege- und Sozialberatung ist für das PCT wesentliches Bindeglied zum stationären Bereich, wenn es um die Anmeldung von Patienten und die Koordination der Entlassung geht. Zusätzlich besuchen Mitarbeitende des PCT Patienten und Angehörige vor einer Entlassung auf Station zu ersten Vorgesprächen und nehmen regelmäßig an den Stationsbesprechungen der Palliativstationen teil. Ein Austausch mit der Onkologischen Ambulanz und der Tagesklinik findet auf ärztlicher Ebene täglich statt.

Neben den unterschiedlichen Abteilungen der Klinik wenden sich auch niedergelassene Haus- und Fachärzte oder Pflegekräfte aus dem ambulanten Bereich oder Pflegeeinrichtungen an das PCT und stellen Patienten zur Versorgung vor. Häufig sind es auch Patienten und Angehörige selbst, die direkt um Unterstützung bitten.

Abgedeckt werden das Stadtgebiet Frankfurt, der Hochtaunuskreis, Neu-Isenburg, Dreieich und Langen. In begründeten Einzelfällen, z. B. bei lang bestehender Anbindung an die Kliniken der Stiftung Hospital zum Heiligen Geist, können auch Patienten in angrenzenden Gebieten besucht werden. Die Patienten werden dabei nicht nur zu Hause versorgt, sondern darüber hinaus in Pflegeeinrichtungen oder Hospizen.

Indikation und Voraussetzungen einer Aufnahme in die SAPV

Der Anspruch auf eine SAPV ist gesetzlich im § 37b des 5. Sozialgesetzbuchs geregelt und eine Leistung der gesetzlichen und privaten Krankenkassen. Prinzipiell kommen alle Patienten mit einer weit fortgeschrittenen, unheilbaren und stark symptomatischen Erkrankung mit einer sehr verkürzten Lebenserwartung von Tagen bis wenigen Monaten für eine SAPV in Frage. Neben den onkologischen Erkrankungen können dies auch schwere neurologische, kardiale oder pulmonologische Erkrankungen sein.

Die Symptome treten in den überwiegenden Fällen mehrdimensional auf. Es handelt sich also um Situationen, in welchen unterschiedlich ausgeprägte Symptome, wie z.B. Schmerzen, Luftnot, Übelkeit, Erbrechen, Angst- und Unruhezustände oder schwere Desorientiertheit gemeinsam auftreten und sich wechselseitig beeinflussen. Eine weitere Voraussetzung sollte die bereits von den Vorbehandlern kommunizierte und vom betroffenen Patienten verstandene und akzeptierte „palliative Zielrichtung“ sein.

Zunächst sollte klar sein, dass der heilende Ansatz der Behandlung der zugrunde liegenden Erkrankung inzwischen verlassen wurde und nunmehr die Linderung der Symptome im Vordergrund steht. Des Weiteren sollte es ein vom Patienten ausgesprochener Wunsch sein, möglichst künftig im häuslichen Umfeld zu bleiben und dazu die Dienste eines ambulanten Palliativteams in Anspruch zu nehmen, um einen Krankenhausaufenthalt zu vermeiden. Eine laufende palliative Tumortherapie, die das Ziel der Symptomlinderung verfolgt, ist zwar kein generelles Ausschlusskriterium für eine SAPV, die alleinige Behandlung der Nebenwirkungen dieser Therapie ist hier jedoch keine ausreichende Indikation.

Der Arbeitsalltag und die Expertise des PCT

Der Erstbesuch im Wohnumfeld des Patienten wird generell durch einen qualifizieren Palliativarzt und eine qualifizierte Palliativpflegefachkraft durchgeführt. Hier erfolgt eine ausführliche Befund- und Informationserhebung. Um dabei möglichst vielschichtig vorgehen zu können, wird angestrebt, dass auch Angehörige und Mitarbeiter relevanter beteiligter Dienste (z.B. Pflegedienst, Ehrenamtliche, Hausarzt) am Erstbesuch teilnehmen oder zumindest telefonisch hinzugezogen werden. Neben der Anamnese ist eine Verständigung über persönliche Vorstellungen und Wünsche des Patienten sowie die Planung der Therapie wesentlicher Bestandteil des Erstbesuchs. Zusätzlich werden Absprachen für Krisen- und Notfallsituationen getroffen und Patienten und Angehörige werden zu entsprechenden Interventionsmaßnahmen geschult.

Mitunter kann der Aspekt der palliativen Zielrichtung bei der Aufnahme der Patienten eine Herausforderung darstellen, da durch Verdrängungen oder Nichtakzeptanz trotz Aufklärungsgesprächen im Vorfeld einerseits oder durch unzureichende Aufklärung im Vorfeld andererseits, diese Vorausetzung nicht immer gegeben ist und somit diese Umstände eine Aufnahme des Patienten erschweren oder gar verhindern können. Gespräche mit dem Patienten und dessen Angehörigen über die palliative Zielrichtung sind insbesondere beim Erstkontakt besonders herausfordernd und erfordern eine besondere Sensibilität des Aufnahmeteams.

Im Verlauf der Begleitung erfolgt routinemäßig mindestens einmal pro Woche ein Hausbesuch, wobei sich die Häufigkeit bei entsprechendem Bedarf auf mehrere Besuche täglich steigern kann, notfalls auch nachts, am Wochenende und an Feiertagen. Hierbei wird die Symptombehandlung kontinuierlich überwacht und angepasst. Bei schwer behandelbaren Schmerzen besteht, wenn alle bisherigen Behandlungsversuche keine ausreichende Linderung zeigen, die Möglichkeit der kontinuierlichen intravenösen oder subkutanen Gabe von Opiaten über eine sogenannte PCA-Pumpe. Bei Patienten mit rezidivierenden Aszites- oder Pleuraergussbildungen, die mitunter hoch belastende Symptome wie Luftnot, Übelkeit oder Druckschmerz verursachen, besteht im häuslichen Setting die Möglichkeit einer sonografiegesteuerten Entlastungspunktion. Ergänzt wird die Behandlung der Symptome bei Bedarf durch Maßnahmen der Aromapflege. Speziell geschulte Wundexperten des PCT befassen sich mit der Behandlung jeder Art von Wunden, unter besonderer Berücksichtigung der palliativen Situation der Patienten.

Neben der Symptombehandlung sind die Auseinandersetzung mit den Sorgen und Ängsten aller beteiligten Personen sowie Phänomenen wie eine Verdrängung und Ambivalenz bei der Akzeptanz der palliativen Situation besondere Herausforderungen in der täglichen Arbeit. Zuwendung und Gespräche bieten hier Entlastung und Unterstützung. Zusätzlich bietet das Wissen, Mitarbeiter des PCT jederzeit als Ansprechpartner bei Fragen und in Krisensituationen zur Verfügung zu haben, Sicherheit für Patienten und Angehörige und stabilisiert so die Rahmenbedingungen der Versorgung.

Nicht jede Versorgung endet mit dem Versterben eines Patienten. So können eine Stabilisierung der Symptomatik und die Schaffung eines soliden Versorgungsnetzwerks dazu führen, dass die Indikation für eine ambulante Palliativversorgung hinfällig ist und die Begleitung pausiert werden kann.

Ein hessenweit besonderes Kennzeichen des SAPV Teams des Krankenhauses Nordwest ist seine Zusammensetzung aus Mitarbeitern mit vielen unterschiedlichen Migrationshintergründen, passend zu dem typischen sozio-kulturellen Gefüge der Bevölkerung des Frankfurter Großraums. Dies ermöglicht eine sehr kultursensible Orientierung und hierdurch häufig eine gelungene palliative Versorgung.

Auch über den Tod der Patienten hinaus werden Angehörige begleitet. Dies geschieht im Rahmen des Trauer-Cafés „Mainblick“, einem offenen Treffen, das von den Mitarbeitern der Patienten-Kontakt-Gruppe und des PCT angeboten wird, sowie einer Trauergruppe, die im Wechsel einmal monatlich angeboten werden.

Oberarzt

Dr. med. Mohammad-Reza Rafiyan

Facharzt für Innere Medizin, Facharzt für Hämatologie und Onkologie, Palliativmedizin

Pflegebereichsleitung

Tobias Schwartz

Spezialisierte Ambulante Palliativversorgung (SAPV)