Krankenhaus Nordwest

Kleine Aderhautmelanome: Effektive und organerhaltende Therapie mit alleiniger Brachytherapie

Primäre maligne Tumoren von Auge und Orbita sind selten. Ihre Behandlung setzt besondere Kenntnisse der anatomischen Verhältnisse, spezielle Bestrahlungstechniken und eine gute Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Disziplinen voraus. Der Verlust an Lebensqualität, den eine Erblindung bedeuten würde, erfordert größte Anstrengungen im Hinblick auf eine funktionserhaltende Therapie, sofern dies unter onkologischen Aspekten gerechtfertigt erscheint. Die dafür notwendigen technischen Voraussetzungen und die Seltenheit der Erkrankung konzentriert die Behandlung von Augentumoren auf wenige spezialisierte Zentren.

Mit einer Inzidenz von 0,6-0,8 pro 100.000 Einwohner ist das maligne Melanom der häufigste primäre maligne intraokulare Tumor. Die Ätiologie ist nicht bekannt, eine hereditäre Entstehung konnte nicht nachgewiesen werden, jedoch wird in einzelnen Familien ein gehäuftes Auftreten beobachtet. Aderhautmelanome wachsen typischerweise relativ langsam, ihre Verdopplungszeit liegt vermutlich zwischen zwei Monaten und mehreren Jahren. Ein extrasklerales Wachstum bei Erstdiagnose ist selten, Lymphknotenmetastasen treten praktisch nicht auf. Das Metastasierungsrisiko im weiteren Krankheitsverlauf ist abhängig von der histologischen Subklassifizierung, der Tumorgröße, der Tumorlage und dem Auftreten von extraokulärem Wachstum.

Eine lokale Behandlung eines Aderhautmelanoms ist nur dann sinnvoll, wenn es gelingt, die zwingend sehr hohe Strahlendosis am Tumor zu applizieren und gleichzeitig die anderen Augenabschnitte weitestgehend schonen zu können. Infrage kommen zwei Therapieansätze: die Brachytherapie mit 106 Rutheniumplaques (brachys = kurz, im Sinne von kurzreichend) und die externe Bestrahlung, zum Teil gefolgt von einer operativen Entfernung des Tumors am Augenhintergrund. Die Schonung der gesunden Strukturen ist mittels der Brachytherapie besonders elegant möglich, da die verwendeten Strahler nur eine sehr kurze Reichweite aufweisen.

Wir freuen uns, unseren Patienten die Brachytherapie mit Rutheniumplaques in Kooperation mit der Augenklinik Frankfurt Höchst (Chefarzt Prof. Dr. Voßmerbäumer) anbieten zu können. Indiziert ist diese Therapieform, wenn die Aderhauttumoren nicht größer als 16 mm im Durchmesser, nicht dicker als 5,5 mm sind und nicht unmittelbar zentral liegen. Diese Voraussetzungen erfüllen ca. 8 -12 Patienten im Jahr, die meistens über ihre niedergelassenen Augenärzte in der Augenklinik in Höchst vorgestellt werden, wobei der Einzugskreis über den Großraum Frankfurt hinaus bis nach Südbaden reicht.

Nach eingehender augenärztlicher Untersuchung, bei der sonografisch die Ausdehnung des Melanoms exakt bestimmt wird, wird ein Bestrahlungsplan erstellt, anhand dessen die effektive Tumorspitzendosis sowie die Skleradosis bestimmt werden, die in der Regel ca. 100-110 Gy bzw. 700-1000 Gy betragen.

Während eines ersten operativen Eingriffes in Intubationsnarkose werden, wenn nötig, Augenmuskeln vorübergehend vom Augenbulbus abgetrennt, um das Melanom vollständig von einem kleinen mit 106 Ruthenium beschichteten Metallplättchen (von der Größe einer Kontaktlinse), bedecken zu können, das mit zwei Stichen von außen auf die Sklera aufgenäht wird. Das Plättchen verbleibt, wie zuvor anhand des Bestrahlungsplanes bestimmt, zwei bis drei Tage am Auge, um dann wiederum in Intubationsnarkose entfernt zu werden.

Die Patienten erholen sich sehr rasch von dem Eingriff und können in der Regel bereits am Tag nach der Entfernung wieder entlassen werden. An akuten Nebenwirkungen treten in den ersten Tagen nach dem Eingriff meist starke Konjunktividen, Lidödeme und Doppelbilder auf, die aber rasch abheilen. Alle Patienten werden über seltene potentielle Spätnebenwirkungen wie Augentrockenheit, Katarakt, Skleranekrose, Retinopathie und schließlich Tumorprogress aufgeklärt.

Je größer ein Aderhautmelanom bei Diagnosestellung ist, und je näher der Tumor in der Netzhautmitte lokalisiert ist, umso höher ist die Komplikationsrate und umso schlechter ist die Chance auf den Erhalt eines zufriedenstellenden Sehvermögens des betroffenen Auges. Bei schwerwiegenden Langzeitkomplikationen (z. B. durch erneutes Tumorwachstum oder schmerzhaftes Glaukom) muss bei einem Teil der Patienten das Auge schließlich doch entfernt werden (Enukleation).

Besteht ein Tumor, dessen Dicke die Reichweite des Strahlers der Brachytherapie übersteigt, kann eine Bestrahlung von außen (perkutane Radiatio) erfolgen. Wegen der vergleichsweise immer noch sehr geringen Ausdehnung dieser Tumoren sind hochspezialisierte Bestrahlungsgeräte erforderlich. Hierzu steht dem Krankenhaus Nordwest ein Novalis®-System zur Verfügung. Dieses Gerät wird in Kooperation eines Herstellers von Hochpräzisionsbeschleunigern (Varian®) mit der Firma (Brainlab®), die Marktführer ist in Herstellung navigierter Tools, die in der Neurochirurgie zum Einsatz kommen, angefertigt. Dabei wurden die Navigationstools aus der Neurochirurgie auf die Strahlentherapie übertragen. Im in Kooperation zwischen der Augenklinik Höchst und der Radioonkologischen Klinik am Krankenhaus Nordwest entstandenen Therapiekonzept erfolgt dabei zunächst eine ultrahohe Einzeitbestrahlung (Radiochirurgie mit 30 Gy) und anschließend die operative Entfernung des Tumors.

Langfristig sind regelmäßige Kontrollen des Augenbefundes erforderlich, vor allem um ein erneutes Tumorwachstum rechtzeitig erkennen und ggf. die Brachytherapie wiederholen zu können. Außerdem sollten sich die Patienten regelmäßigen hausärztlichen bzw. internistischen Kontrolluntersuchungen, v. a. der Leber, unterziehen, da das Metastasierungsrisiko lebenslang bestehen bleibt. Bei häufig erst sehr spätem Auftreten der Fernmetastasierung beträgt die Überlebensrate nach einem Jahr nur noch 10 Prozent. Insgesamt wird die 5-Jahresüberlebensrate bei kleinen Aderhautmelanomen mit 84 Prozent, bei mittelgroßen mit 68 Prozent und bei großen Aderhautmelanomen mit 37 Prozent angegeben.

Leitende Oberärztin

Priv.-Doz. Dr. med. Uta Kraus-Tiefenbacher

Leitende Oberärztin IORT, Fachärztin für Strahlentherapie

Prof. Dr. med. Urs Voßmerbäumer

Chefarzt der Klinik für Augenheilkunde am Klinikum Frankfurt Höchst