Hospital zum Heiligen Geist

15 Jahre Interdisziplinäre Multimodale Schmerztherapie

Wenn Zähne zusammenbeißen nicht mehr ausreicht – Interdisziplinäre Multimodale Schmerztherapie (IMS) am Hospital zum Heiligen Geist erweitert ihr Angebot. „Ich bilde mir meinen Schmerz doch nicht ein“, „Mein Arzt sagt, ich sei austherapiert, er könne mir nicht mehr helfen“. Mit diesen und ähnlichen Aussagen wenden sich nicht selten verzweifelte, hilfesuchende Betroffene an unsere Klinik. Meist können die Patient:innen dann beruhigt werden, wenn sie über die Interdisziplinäre Multimodale Schmerztherapie (IMS) im Hospital zum Heiligen Geist informiert werden und ihnen eine Behandlung in Aussicht gestellt wird. Das Spezialgebiet der IMS: Die Behandlung von Patient:innen mit chronischen Schmerzen, denen in der üblichen Akutschmerzbehandlung nicht geholfen werden kann.

Schon seit 2006 kooperieren am Hospital zum Heiligen Geist die Anästhesiologie, operative Intensivmedizin und Schmerztherapie (Chefarzt Dr. med. Gerd Neidhart) mit der Klinik für Psychosomatik (Chefarzt Dr. med. Wolfgang Merkle) in dem gemeinsamen Projekt IMS. Es handelt sich um ein stationäres Angebot, das algesiologische und psychosomatische Medizin mit Physiotherapie und Krankenpflege vernetzt. Dabei geht es im Kern darum, dass eine chronische Schmerzstörung als ein eigenständiges Krankheitsbild zu betrachten ist, das nur noch sehr wenig mit akuten Schmerzereignissen gemein hat. So ist es typisch, dass die Warnfunktion und die Beziehung zu aktuellen Gewebeschädigungen zu Schmerzqualität und -quantität nicht mehr gegeben sind.

Chronische Schmerzstörung ist ein eigenständiges Krankheitsbild

Die Vorstellung, Schmerz könne nur dann empfunden werden, wenn ein akuter Schmerzreiz vorliegt, gehört der Vergangenheit an. Vielmehr geht man heute davon aus, dass neben einer peripheren Schmerzsensibilisierung es zu einer zentralen Schmerzsensibilisierung bei einer chronischen Schmerzerkrankung gekommen ist. Diese zentrale Schmerzsensibilisierung wird ebenfalls über epigenetische Mechanismen durch Umwelteinflüsse sowie aktuelle wie zurückliegende Stresserfahrungen, psychosoziale Belastungen und unbewusste seelische Konflikte mit determiniert. Zusätzlich können psychische Komorbiditäten vorliegen. Daraus ergibt sich ein ganz anderes Behandlungsregime chronischer Schmerzen im Vergleich zu akuten Schmerzen.

Gemäß den Vorgaben der Deutschen Schmerzgesellschaft erfolgt die Behandlung inhaltlich aufeinander abgestimmt durch ein interdisziplinäres Behandlungsteam nach einem für jede Patientin und jeden Patienten individuell festgelegtem Therapieplan, der in regelmäßigen Teamsitzungen überprüft wird. Zentrales Behandlungsziel ist die Wiederherstellung der objektiven und subjektiven Funktionsfähigkeit mit Steigerung der Kontrollfähigkeit und des Kompetenzgefühls der Betroffenen, die Vorgehensweise ist ressourcenorientiert. Die Behandlung erfolgt über einen Zeitraum von drei Wochen individuell und in Kleingruppen von bis zu acht Patient:innen.

Der Therapieplan umfasst pro Woche folgende Behandlungseinheiten aus den verschiedenen Behandlungsmodulen:

Anästhesiologie-Modul
Aufnahmeuntersuchung, tägliche Visite, Einzelbehandlungen 3x30 min., Psychoedukation in der Gruppe 3x50 min.

Psychosomatik-Modul
Tiefenpsychologisch fundierte Einzeltherapie 2x50 min. psychosomatische Schmerzgruppentherapie 4x50 min, Entspannungsverfahren 1x50 min.

Kunsttherapie-Modul
Aktive Gruppentherapie mit acht Patient:innen 2x120 min.

Physiotherapie-Modul
Einzelbehandlungen 3x30 min., Gruppenphysiotherapie 7x30 min.

Pflege-Modul
Tägliche Bezugspflege durch die Schmerzschwester/den Schmerzpfleger, Achtsamkeitsübungen, Biofeedback 1x30 min., Schmerztagebuch

Nach drei Behandlungswochen nachhaltige Schmerzreduktion

Nach den drei Behandlungswochen ist dann der Grundstein gelegt für eine nachhaltige Schmerzreduktion. Die weitere Betreuung kann dann über das Fachärztezentrum am Hospital zum Heiligen Geist oder ein Netzwerk kooperierender ambulanter Schmerz- und Psychotherapeut:innen sichergestellt werden. Wenn die Patient:innen sagen „Die Behandlung war zwar anstrengend und mein Schmerz ist noch nicht ganz weg, aber erträglich und ich weiß, wie ich mir selber helfen kann“, dann ist eines der wesentlichen Behandlungsziele erreicht.

Die Arbeit der IMS im Hospital findet sowohl seitens der niedergelassenen Schmerztherapeutinnen und -therapeuten als auch in der Bevölkerung zunehmenden Zuspruch, so dass sich monatelange Wartezeiten bis zur stationären Aufnahme ergeben haben. Um den Patient:innen die Zeit bis zum Aufnahmetermin zu verkürzen, wurde das Behandlungsangebot ab August 2021 von acht auf 16 stationäre Plätze erweitert. Dies macht die Schmerzmedizin am Hospital zum Heiligen Geist mit ihrer engen Verknüpfung zur psychosomatischen Klinik und Tagesklinik sowie zum schmerztherapeutischen Medizinischen Versorgungszentrum am Hospital (als Teil des Fachärztezentrums Frankfurt) zu einem der umfassendsten Versorgungsanbieter im Rhein-Main-Gebiet.

Oberarzt

Claas Drefahl

Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Spezielle Schmerztherapie, Psychoonkologie DGPM, DKG