Krankenhaus Nordwest

Tiergestützte Therapie in der Palliativmedizin – Neues Therapieangebot im Krankenhaus Nordwest

Ein freundliches Schwanzwedeln, ein sanfter Stups mit der Nase und ein weiches, warmes Fell zum Streicheln: Zweimal in der Woche besuchen die beiden Golden Retriever Vitesse (3 ½ Jahre) und Todd (4 ½ Jahre) die Patienten der Palliativstation im Krankenhaus Nordwest. Für die Patienten der Station ist der Besuch der beiden Hunde, die von ihren Hundeführerinnen Anne Wittmann und Marina Dahinten begleitet werden, eine große emotionale Unterstützung.

Die Idee, Therapiehunde im Krankenhaus Nordwest einzusetzen, entstand bei einem Vortrag von VITA e.V. - eine Einrichtung, die Assistenzhunde ausbildet. Prof. Dr. med. Elke Jäger, Chefärztin der Klinik für Onkologie und Hämatologie und Leiterin des Zentrums für Palliativmedizin, war begeistert und startete im März 2018 das Projekt „Tiergestützte Therapie“ auf der Palliativstation im Krankenhaus Nordwest. Dr. med. Karolina Maria Wiedemann und Heide-Marie Jungbluth vom Zentrum für Palliativmedizin begleiten seitdem engagiert und mit Herzblut das Projekt mit den beiden Golden Retrievern Vitesse und Todd.

Die Ausbildung

Die Rasse Golden Retriever ist eine auf Menschen bezogene Rasse und besonders für den Einsatz als Therapiehund geeignet, weiß Anne Wittmann, die seit 14 Jahren für VITA e.V. arbeitet. Sie ist Hundeführerin und Patin von Vitesse. Sie ist bei jedem Besuch im Krankenhaus dabei.

Den Hunden Vitesse und Todd macht die Arbeit mit den Patienten sichtlich Freude. Sie beantworten Kraulen und Streicheln unmittelbar mit Liebe und Zuwendung und vermitteln Ruhe und Entspannung. Unruhige und zappelige Hunde seien für diese Arbeit nicht geeignet, so Wittmann. Da Patienten häufig unter Schmerzen leiden, müssen die Bewegungen der Tiere sanft und ruhig sein, um nicht zu verletzen. Damit Hunde als Therapiehunde eingesetzt werden können, bedarf es einer sorgfältigen Auswahl und intensiven Ausbildung.

„Schon bei den Welpen kann man erkennen, ob der Hund als Therapiehund ausgebildet werden kann“, erklärt Marina Dahinten. Als Hundeführerin hat sie Todd an alltägliche Situationen herangeführt. Es folgte das gezielte Training mit den Ausbildern. Todd lernte so die speziellen Aufgaben, die beim Umgang mit behinderten und schwerkranken Menschen wichtig sind.

Tiergestützte Therapie

Die Tiergestützte Therapie wird bei Störungsbildern wie Autismus, Depression, Demenz und Schmerz bereits in zahlreichen Kliniken wirksam eingesetzt. In der Palliativversorgung von Patienten in fortgeschrittenen Erkrankungsstadien steht schwerpunktmäßig der psychologische Effekt der tiergestützten Therapie im Vordergrund. Dieser beruht in erster Linie auf den positiven Auswirkungen des körperlichen Kontaktes. In der Klinik gliedert sich eine Einheit mit dem Therapiehund in eine Einstiegsphase des gegenseitigen, kurzen Kennenlernens, gefolgt von der Beobachtungsphase, bei welcher der Hund am Platz liegt und sich Patient und Tier in einer gewissen Distanz aneinander gewöhnen können. Danach folgt die eigentliche Kontaktphase – frei oder gelenkt durch den Hundeführer, immer im Beisein eines Therapeuten. Zuletzt folgt die Ausstiegsphase aus der gemeinsam verbrachten Zeit.

Auf der Palliativstation im Krankenhaus Nordwest zeigt sich, dass es den Patienten im Umgang mit den Hunden um die Verbesserung des seelischen Wohlbefindens und die Förderung der Kommunikation in einer das Leben bedrohenden Situation geht. Das Tier kann Trost spenden, als vermittelndes Medium die Kommunikation zwischen allen Beteiligten erleichtern und letztlich auch Hilfe bei der Trauerarbeit leisten.

Für Heide-Marie Jungbluth sind die Hunde somit auch „Brückenbauer“ bei schwierigen Kommunikationssituationen: „Tiere haben einen schnelleren Zugang zu den Menschen und haben eine beruhigende Wirkung.  Sie kommunizieren auf einer Ebene ohne Worte intuitiv mit ihrer Körpersprache und Lautgebung. Der Kontakt kann dem Patienten körperlich guttun und seelisch berühren – ohne Worte. Erinnerungen werden wach, Entspannung tritt ein und Gespräche werden möglich. Wir erleben immer wieder, dass Familien, die lange keinen Kontakt mehr zueinander hatten, durch die Hunde wieder zusammenfinden.“

Durch die Motivation zur Bewegung und durch das Kontaktliegen wird das körperliche Empfinden der Patienten stimuliert und gefördert. „Wir erleben viele berührende und schöne Momente, die uns zeigen, dass diese Therapie richtig ist. Mit ihrer unglaublichen Sensibilität können diese Hunde für schwerkranke Menschen eine wichtige Stütze sein“, erzählt die Oberärztin Dr. Karolina Maria Wiedemann. Insbesondere das Kontaktliegen ist eine meist als angenehm empfundene Form der basalen Stimulation, bei der der Patient das Fell, die Wärme des Tieres, die Atembewegung und dessen Herzschlag neben sich im Bett wahrnehmen kann. Voraussetzung für den Einsatz der Therapiehunde ist der explizite Wunsch der Patienten oder der Angehörigen.

Hohe Anforderungen an die Hygiene

Trotz aller positiven Effekte muss der Hygienestandard im Krankenhaus eingehalten werden. Haustiere sind in einem Krankenhaus nicht erlaubt. Allerdings gibt es auf einer Palliativstation Ausnahmeregelungen: Hier dürfen Haustiere zu den Patienten. Die Therapiehunde sind darüber hinaus durch ihren Einsatz am und sogar im Bett der Patienten besonders gepflegt. Die Hunde werden vor ihrem Einsatz immer frisch gebadet und gebürstet, berichtet Hundeführerin Wittmann. Als Therapiehunde unterliegen diese Hunde noch weiteren besonderen hygienischen Anforderungen. Sie werden regelmäßig entwurmt, geimpft, auf Krankheiten untersucht und sind natürlich unter tierärztlicher Kontrolle, was ihren Einsatz sogar auf allen Stationen – außer OP und Intensivstation – im Krankenhaus möglich macht.

Wirksamkeit der Therapie mit Hunden

Um die Wirksamkeit tiergestützter Therapie mit Therapiehundeteams als Intervention zur Verbesserung der Befindlichkeit und Reduktion des Schmerz- und Angsterlebens bei Palliativpatienten zu evaluieren, sind zwei Studien unter der Leitung von Dr. Karolina Maria Wiedemann geplant. Die Studien untersuchen die Symptomkontrolle mit Hilfe von Befindlichkeitsfragebögen vor und nach der Therapie sowie die basale Stimulation durch die Therapie mit Hunden. Hier geht es um Förderung der Sinneswahrnehmung und Körperorientierung durch die Berührung des Hundes.

Über VITA e.V.

VITA e.V. ist ein gemeinnütziger Verein, der Kindern und Erwachsenen mit körperlicher Behinderung einen Assistenzhund zur Seite stellt und ihnen so zu mehr Unabhängigkeit und Lebensqualität verhilft. Darüber hinaus werden einzelne Hunde wie Todd und Vitesse auch als Therapiehunde in Krankenhäusern oder Seniorenstiften eingesetzt.

www.vita-assistenzhunde.de

 

Von Brigitte Ziegelmayer