Krankenhaus Nordwest

Die Therapiekonzepte der proximalen Humerusfraktur

Das Schultergelenk ist ein faszinierendes Gelenk. Bedingt durch die komplizierten anatomischen Gegebenheiten erlaubt es ein sehr großes Bewegungsausmaß in alle Richtungen. Umso schwerwiegender sind Verletzungen an der Schulter, die eine Einschränkung der Funktion zurücklassen. In der Klinik für Orthopädie, Unfall- und Wirbelsäulenchirurgie am Krankenhaus Nordwest versuchen wir, mit einer Vielzahl an Behandlungsmöglichkeiten die Funktion möglichst wiederherzustellen.

Durch einen Sturz auf den gestreckten Arm entstehen Frakturen an der Schulter. Etwa 6 Prozent der Frakturen beim Erwachsenen betreffen den proximalen Humerus. Frauen sind dreimal häufiger betroffen als Männer bei dieser – oft durch Osteoporose begünstigten – Fraktur. Im Kinder- oder Wachstumsalter betreffen nur etwa drei Prozent aller Frakturen den proximalen Humerus. Betroffen sind hier meist Jugendliche zwischen 11 und 14 Jahren. Glücklicherweise können bei Jugendlichen die meisten Frakturen konservativ behandelt werden. Bedingt durch das große Korrekturpotenzial des wachsenden Knochens können zum Teil erhebliche Fehlstellungen akzeptiert werden, da sich diese im Verlauf des Längen- und Dickenwachstums des Knochens zuverlässig ausgleichen.

Im Gegensatz dazu kommt es beim erwachsenen Patienten nicht zu einer Korrektur von Fehlstellungen, die durch den Muskelzug der Rotatorenmanschette entstehen. Daher muss das Ziel der Behandlung neben dem Erhalt der Funktion auch die Wiederherstellung der Anatomie sein.

Die Behandlung von Schulterfrakturen

Unverschobene Frakturen werden konservativ behandelt. Nach kurzer Ruhigstellung für etwa zehn Tage in einem speziellen Verband (z. B. Gilchrist-Verband) und intensiver Schmerztherapie darf der Patient  mit Bewegungsübungen beginnen. Diese sogenannten Säge- und Pendelübungen sollen ein Versteifen der Schulter verhindern, gleichzeitig muss radiologisch kontrolliert werden, ob sich die Fraktur weiter verschiebt. Wenn eine Verschiebung ausgeschlossen wurde, wird die Physiotherapie gesteigert und nach etwa sechs Wochen darf der Arm wieder allmählich belastet werden. Weitere Röntgenkontrollen müssen dann ein Ausheilen der Fraktur zeigen.

Verschobene Frakturen müssen sorgfältig evaluiert werden, um ein individuelles Therapiekonzept zu erstellen. Oft ist in den Röntgenaufnahmen alleine die Fraktur nicht ausreichend zu beurteilen. Hier führen wir dann eine Computertomografie durch, die uns eine exakte Analyse der Fraktur ermöglicht. In Abhängigkeit von der Analyse der Fraktur muss im Anschluss das bestmögliche Verfahren gewählt werden.

Einfachere Frakturformen mit nur zwei oder drei Hauptfragmenten (two-part- oder three-part-fractures), insbesondere wenn die Fraktur im Collum chirurgicum verläuft, können mit einem Marknagel versorgt werden. In der Klinik für Orthopädie, Unfall- und Wirbelsäulenchirurgie im Krankenhaus Nordwest verwenden wir, neben den herkömmlichen Titanimplantaten, auch Implantate aus PEEK-Carbon. Dieses kunststoffverstärkte Kohlefaserimplantat ist im Röntgen nicht zu sehen. Lediglich die Verriegelungsschrauben sind weiterhin aus Titan (Abb. 1). Der Vorteil hier ist die bessere radiologische Darstellung der Fraktur nach der OP. So kann auch die Frakturheilung im Verlauf besser beurteilt werden.
Kompliziertere Frakturformen (three- and four-part-fractures) oder solche, bei denen der Oberarmkopf in sich zerbrochen ist (Head-split fracture), versuchen wir mit Platten und Schrauben zu stabilisieren. Hier kommen neben den herkömmlichen winkelstabilen Implantaten ebenfalls Carbon-Implantate zum Einsatz. Auch hier sehen wir den Vorteil in der besseren Beurteilbarkeit der postoperativen Röntgenbilder. Sowohl Verschiebungen im postoperativen Verlauf als auch die Frakturheilung können besser beurteilt werden (Abb. 2).

Ist ein Erhalt des Oberarmkopfes nicht erfolgversprechend, kommen verschiedene Formen der Endoprothetik zum Einsatz. Zum einen verwenden wir einfache Hemi-Endoprothesen. Hierbei wird der
Oberarmkopf durch die Prothese ersetzt. Die wichtigsten Voraussetzungen für diese Art der Versorgung sind eine intakte Rotatorenmanschette und eine ausreichend gute Knochenqualität. Bei älteren Patienten mit schlechter Knochenqualität und/oder Rotatorenmanschetten-Defekten ist eine inverse Schulter-Endoprothese indiziert. Hierbei wird in die Schultergelenkspfanne der neue Kopf aufgesetzt (Abb.  3).

Allen Verfahren gemeinsam ist der Wunsch nach möglichst schneller Wiederherstellung der Funktion. Postoperativ muss der Patient frühzeitig mit der Physiotherapie beginnen. Die passive Mobilisation mit einem „Schulterstuhl“ wird meist direkt nach der Operation noch im Krankenhaus begonnen. Dabei wird der Arm passiv bewegt und das Bewegungsausmaß kann zuvor festgelegt und angepasst werden. Wenn die Kostenträger dies genehmigen, organisieren wir einen solchen Stuhl auch für zu Hause.

Durch die enge Zusammenarbeit mit der Physiotherapieabteilung im Krankenhaus Nordwest gelingt es uns, für den Patienten eine maßgeschneiderte Therapie zusammenzustellen. Um möglichst keine Unterbrechung der Behandlung zu riskieren, betreiben wir ein konsequentes Entlassmanagement, bei dem die Patienten am Entlassungstag von uns eine Verordnung für Physiotherapie und die entsprechenden Termine erhalten.
Unterschiedliche Verletzungsformen an der Schulter bedürfen unterschiedlicher Behandlungsformen. Durch die Vielzahl an Möglichkeiten, die uns zur Verfügung stehen, gelingt es uns, patientenorientiert die optimale Behandlung anzubieten.

Chefarzt

Dr. med. Sven Rogmans

Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, Facharzt für Chirurgie, Schwerpunkt Unfallchirurgie, Zusatzbezeichnung: Notfallmedizin, fachgebundene Röntgendiagnostik, ATLS-Provider

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