Klinisches Risikomanagement
Durch begrenzte Personal- und Zeitressourcen und immer komplexere Prozesse hat sich die Sicherstellung der Patientensicherheit in Gesundheitseinrichtungen zu einer anspruchsvollen Aufgabe entwickelt. Diese steigenden Anforderungen veranlassten den Gesetzgeber über den Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) auch den Krankenhäusern den Aufbau von Risikomanagement- und Fehlermeldesystemen verbindlich vorzuschreiben. Der GBA setzt damit die Vorgaben aus dem Patientenrechtgesetz um, dessen Anforderungen an ein internes Qualitätsmanagement (QM) Anfang 2014 erstmals erweitert wurden. So müssen Krankenhäuser ein patientenorientiertes Beschwerdemanagement etablieren, Mindeststandards für ein klinisches Risikomanagement erfüllen, ein einrichtungsinternes Fehlermeldesystem haben und an einem einrichtungsübergreifenden Fehlermeldesystem teilnehmen.
Fehler sind im Krankenhausalltag nicht vermeidbar
In deutschen Krankenhäusern hat man nach schwierigen Anpassungsprozessen erkannt, dass Fehler auch im Krankenhausalltag nicht zu vermeiden sind. Sie sind ein fester Bestandteil menschlichen Handelns. Aus diesem Grund ist das Auftreten von Fehlern auch im klinischen Bereich als „normal“ einzuordnen. Beispiele hierfür sind Informationsdefizite, Missverständnisse im Team, falsch ausgeführte Anordnungen, vergessene Maßnahmen, Verwechslungen und fehlerhafte Entscheidungen.
Beim klinischen Risikomanagement handelt es sich um eine Methode, in systematischer Form, Fehler oder Risiken in der Patientenversorgung zu verhindern und somit die Patientensicherheit zu erhöhen bzw. die Haftungsrisiken des Krankenhauses zu reduzieren. Unter einem Risikomanagementsystem versteht man dementsprechend die Gesamtheit aller organisatorischen Maßnahmen, die zur Erkennung, Analyse und Verhinderung von Risiken getroffen werden.
Gründe für die Einführung eines klinischen Risikomanagements sind neben den Sicherheitsaspekten für Patienten auch die Wirtschaftlichkeit – Fehler sind teuer – und die teils stark gestiegenen Versicherungsbeiträge. Die Themen „Patientensicherheit und Risikomanagement“ werden in den Krankenhäusern derzeit noch sehr unterschiedlich gehandhabt. In vielen Einrichtungen wurden Teilsysteme und Instrumente eingeführt, um mit den identifizierten Risiken umzugehen. Ein systematischer Ansatz steht hierbei nicht im Vordergrund. Es wird versucht, mit schriftlichen Anweisungen die Risiken zu beherrschen.
Eine deutlich wirksamere, aber auch aufwendigere Herangehensweise ist die Einführung eines Risikomanagement-Systems. Damit erst können die vielen Elemente des Risikomanagements geordnet und koordiniert werden. Das heißt, es befähigt die Organisation, mit Risiken umzugehen. Die Abbildung „Risikomanagement-Prozess“ verdeutlicht dies. Der Risikomanagement-Prozess beinhaltet den Prozess der systematischen und laufenden Risikoanalyse. Ziel der Risikoidentifikation ist die frühzeitige Erkennung von „den Fortbestand der Organisation gefährdenden Entwicklungen“, d. h. die möglichst vollständige Erfassung aller Risikoquellen, Schadensursachen und Störpotenziale.
Für einen effizienten Risikomanagement-Prozess kommt es darauf an, dass Risikomanagement als kontinuierlicher Prozess – im Sinne eines Regelkreises (siehe Abbildung „Risikomanagement-Prozess“) – in die Unternehmensprozesse integriert wird.
Eine Schlüsselstelle im gesamten Risikomanagement-Prozess nimmt die Risikosteuerung und -kontrolle ein. Diese Phase zielt darauf ab, die Risikolage des Unternehmens positiv zu verändern bzw. ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Chance und Risiko zu erreichen, um den Unternehmenswert zu steigern. Die Risikosteuerung und -kontrolle umfasst alle Mechanismen und Maßnahmen zur Beeinflussung der Risikosituation. Ziel ist die Verringerung der Eintrittswahrscheinlichkeit und/oder des Schadensausmaßes.
Klinisches Risikomanagement in den beiden Krankenhäusern der Stiftung
Den Umgang und auch die Handhabung von Risiken praktizieren wir im Rahmen unseres Qualitätsmanagementsystems schon seit mehreren Jahren. Die internen Audits sowie ein konventionelles Fehlermeldesystem dienten der Informationssammlung. Auch zu dieser Zeit haben wir bereits Risiken und auch Maßnahmen zu deren Bewältigung schriftlich festgelegt. Weiterentwickelt haben wir uns durch die Einführung der Software Intrafox mit den nachfolgenden Modulen, die uns als Instrumente für unser Risikomanagement wie folgt zur Verfügung stehen:
Critical Incident Reporting System (CIRS)
Die CIRS-Fallmeldungen erfolgen anonym und strukturiert über ein elektronisches Erfassungsportal im Intranet. Die abgefragten Inhalte können dabei von der Beschreibung des Ereignisses über Verbesserungsvorschläge und bereits getroffene Maßnahmen bis zu möglichen Ursachen wie persönlichen Faktoren, System- oder Teamfaktoren reichen. Über eine Vorgangsnummer kann der Meldende den Status und das Ergebnis seiner CIRS–Meldung jederzeit anonym nachvollziehen.
Die CIRS-Fallmeldung wird in Intrafox von einem Mitarbeiter des zentralen Qualitätsmanagements anonymisiert und de-identifiziert. Bei der Anonymisierung werden personenbezogene Daten ersetzt, bei der De-Identifikation werden Informationen, welche Rückschlüsse auf einen einzelnen Mitarbeiter oder auf einen Patienten erlauben, abstrahiert. Da ein wichtiger Aspekt des CIRS auch das Lernen aus Fehlern ist, präsentieren wir interessante Fälle anonymisiert auf der internen Plattform dieser Software. Zudem veröffentlichen wir ausgewählte Meldungen im Internet über die externe Plattform CIRS Health Care. Bei CIRS Health Care handelt es sich um ein klinikübergreifendes Critical Incident Reporting System. Dabei tauschen Krankenhäuser einrichtungsübergreifend interessante CIRS-Vorgänge und bereits erprobte Maßnahmen aus. Zusätzlich erhalten teilnehmende Einrichtungen Analysen vom Expertenteam und Zugriff auf Handlungsempfehlungen sowie Präventionsmittel.
Beschwerdemanagement
Auch unser Lob- und Beschwerdemanagement betreiben wir seit mehreren Jahren IT-gestützt mit der gleichen Software wie dem oben genannten CIRS. Die diesbezüglichen Patientenrückmeldungen werden ebenfalls durch einen Mitarbeiter des zentralen QM entgegengenommen, gemeinsam mit den Verantwortlichen der Kliniken analysiert und, wenn erforderlich, Maßnahmen zur Verbesserung abgesprochen. Mit Unterstützung der Software lässt sich der gesamte Schriftwechsel zeitsparend durchführen.
Schadenfallmanagement
Auch bei der strukturierten Bearbeitung von Haftpflichtschäden unterstützt uns die gleiche Software. Aber auch über dieses Instrument identifizieren wir Risiken, welche wir ebenfalls in den oben genannten Risikoprozess miteinbeziehen. Weitere Informationen zum Thema Patientensicherheit erhalten wir über interne und externe Audits, Fallbesprechungen, unser Hygienemanagement und durch die Analyse von Zufriedenheitsbefragungen. Aus allen diesen Informationen identifizieren wir gemeinsam mit den Verantwortlichen der Kliniken die resultierenden Risiken. Diese werden von uns hinsichtlich der Eintrittswahrscheinlichkeit bzw. Häufigkeit und der möglichen Auswirkung kategorisiert. Diese Bewertung erfolgt unter der Betrachtung der ungünstigsten, aber doch vorstellbaren Auswirkung. In der Terminologie des Risikomanagements ist die englische Bezeichnung „Credible Worst Case“ sehr verbreitet. Nach gründlicher Analyse der zuvor beschriebenen Bewertung werden risikominimierende oder -vermeidende Maßnahmen in Absprache mit den Verantwortlichen der Kliniken festgelegt oder angepasst.
In der weiteren Entwicklung unseres klinischen Risikomanagements beschäftigen wir uns mit einer umfassenden Erfassung von Risiken in allen Bereichen auch über die medizinischen Fachbereiche hinaus. Die Festlegung einer Risikostrategie sowie die Etablierung eines Controlling-Systems zur Steuerung des gesamten Prozesses sind weitere Vorhaben der Abteilung für Qualitäts- und Risikomanagement.
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