Hospital zum Heiligen Geist

Metabolische Chirurgie zur Behandlung des Typ-2 Diabetes mellitus

Der Typ-2 Diabetes mellitus ist eine chronisch-progressive metabolische Erkrankung (=Stoffwechsel-Erkrankung). Die Prävalenz in Deutschland beträgt über acht Prozent. Die Behandlung umfasst Lebensstil-Änderungen, die Gabe von oralen und injizierbaren antidiabetischen Medikamenten und letztlich die Gabe von Insulin. Traditionell erfolgen die therapeutischen Maßnahmen schrittweise. Alle konservativen Maßnahmen haben das Ziel, einen glykämischen Metabolismus zu vermeiden oder zu verzögern, den nächsten therapeutischen Schritt in die Zukunft zu verlagern und mikrovaskuläre und makrovaskuläre Komplikationen zu verhindern. Vor der Ära der Metabolischen Chirurgie war eine langanhaltende Remission des Diabetes weitgehend unbekannt und galt nicht als therapeutisches Ziel.

Die Metabolische Chirurgie änderte den Blick auf den Diabetes komplett. Bereits in der Mitte des vorigen Jahrhunderts gab es Beobachtungen und wissenschaftliche Berichte von Patienten mit Typ-2 Diabetes mellitus, die sich resezierenden Operationen am Magen unterziehen mussten und deren Diabetes nach der gastrointestinalen Operation verschwunden war. Dabei handelte es sich zumeist um Operationen im Rahmen einer Ulkusbehandlung oderum onkologische Gastrektomien. Diesen Berichten wurde jedoch wenig Aufmerksamkeit beigemessen und die Bedeutung nicht erkannt. Erst vor gut 25 Jahren wurde die überraschende, unmittelbar nach der Operation einsetzende oftmals komplette Remission des Typ-2 Diabetes nach bariatrischen Magenbypass-Operationen entdeckt. Lange Zeit wurden adipöse Diabetiker von bariatrischen Operationen (=Adipositas-Operationen) ausgeschlossen, da das Operationsrisiko bei diesen Patienten zu hoch erschien. Und erst als diabetische Patienten mit ausgeprägter Adipositas operiert wurden, erkannte man den zusätzlichen Eff ekt eines Magenbypasses auf den Diabetes. Ein bahnbrechender Artikel von W. J. Pories erschien in Annals of Surgery im Jahr 1995 mit dem Titel „Who would have thought it? An operation proves to be the most eff ective therapy for adult-onset diabetes mellitus”.

Die Metabolische Chirurgie änderte den Blick auf den Diabetes

Es war lange bekannt, dass Gewichtsabnahme per se zu einer Verbesserung der glykämischen Stoff wechsellage führt. Aber die Daten zeigten, und mittlerweile gilt es als anerkanntes Wissen, dass metabolische Operationen darüber hinaus gewichtsunabhängige Auswirkungen auf den Diabetes haben. Diese Art von Chirurgie wurde daher zunächst auch „Diabetes- Chirurgie“ oder „antidiabetischer intestinaler Bypass“ (ADIB) genannt.

Der Begriff „Metabolische Chirurgie“ wurde bereits 1978 von H. Buchwald und R. L. Varco für eine neuartige Form von Chirurgie geprägt. Es handelte sich um Operationen an anatomisch normalen Organen oder Organsystemen mit der Zielsetzung, einen potentiellen Gesundheitsgewinn zu erreichen. Die Remission des Diabeteswar zu diesem Zeitpunkt weitestgehend
unbekannt. Es handelte sich vielmehr beidieser Form der Chirurgie um Magenoperationen bei Ulkuserkrankung des Duodenums, um gastrointestinale Bypass-Operationen bei krankhafter Adipositas und zur Behandlung der Hyperlipidämie, um Ablation von normalen endokrinen Organen zur Behandlung von den unterschiedlichsten benignen und malignen Erkrankungen wie Thyreoidektomie bei Herzerkrankungen, Adrenalektomie zur Behandlung der essentiellenHypertonie, Orchiektomie bei Prostatakarzinom und Oophorektomie bei Brustkrebs. Heute wird der Begriff „Metabolische Chirurgie“ nahezu ausschließlich für die „Diabeteschirurgie“ verwendet. Dabeiist zu beachten, dass durch die MetabolischeChirurgie auch eine Reihe anderer metabolischer Erkrankungen positiv beeinflusst werden, also ein Gesundheitsgewinn erzielt wird. So kommt es nach metabolischen Operationen zu ausgeprägten Verbesserungen von Fettstoff wechselstörungen, Adipositas, arterieller Hypertonie, nicht-alkoholischer Fettleber (NAFLD) und Steatohepatitis (NASH).

Der Effekt einer metabolischen Operation auf den Typ-2 Diabetes mellitus, insbesondere die Remissionsrate, ist von zwei Faktoren abhängig, einerseits von der Dauer und der Schwere des Diabetes (gemessen an der Stoff wechsellage und der Therapieintensität) und andererseits vom durchgeführten Operationsverfahren. Daher ist sowohl die Indikationsstellung als auch die Wahl des Operationsverfahrens von entscheidender Bedeutung. Die Indikation zur Operation ist eine andere als in der Bariatrischen Chirurgie, und die Auswahl der Operationsverfahren ist ebenfalls eine andere.

Bei den neueren Verfahren fehlen noch Langzeitergebnisse

Bestimmte Verfahren des bariatrischen Verfahrensspektrums (z. B. Magenballon, Magenband) spielen keine Rolle in der Metabolischen Chirurgie, die Schlauchmagen- Operation (Sleeve) spielt nur eine untergeordnete Rolle, z. B. im Rahmen von Mehrschritt-Therapien. Die Domäne sind die verschiedenen Bypass-Operationen: Roux-Y-Magenbypass, Ein-Anastomosen- Magenbypass (ehemals auch als Mini-Bypass bezeichnet), die Biliopankreatische Diversion (BPD) nach Scopinaro (heute nur noch sehr selten durchgeführt), die BPD mit Duodenalem Switch (BPD-DS) in der klassischen oder in der Ein-Anastomosen-Technik (SADI = Single Anastomosis Duodeno-Ileostomie). Es gibt noch eine Reihe weiterer Bypass-Verfahren, die abernoch nicht als Standard angesehen werden können wie die Transit Bipartition nach Santoro oder die Ileum-Transposition nach Paula. Bei den neueren Verfahren fehlen noch Langzeitergebnisse, um Sicherheit und Effektivität auf Dauer beurteilen zu können. Der BPD-DS als vermutlich eff ektivste Operation zeigte in einer prospektiven Studie ca. zehn Jahre nach der Operation bei einer Patientenkohorte von fortgeschrittener Diabetes-Erkrankung (n=91, Alter 50 ± 10 Jahre, HbA1c 9.2 ± 2.0 Prozent, Insulinpfl ichtigkeit 80 Prozent, Dauer der Insulinpfl ichtigkeit 5.3 ± 3.6 Jahre) eine Rate an kompletter Remission von 71 Prozent und eine Rate an Insulin- Freiheit von 90 Prozent der ehemals insulinpf ichtigen Diabetiker. Zu einem Wiederauftreten des Diabetes nach primär erreichter Remission kam es lediglich bei fünf Prozent der Patienten. Insgesamt handelt es sich bei dieser Langzeit-Studie um extrem ermutigende Ergebnisse bei einer weit fortgeschrittenen chronischen metabolischen Erkrankung.

Ziel der Metabolischen Chirurgie ist es, dass die Patienten gesünder und glücklicher werden. Der Diabetes verschwindet oder wird wesentlich gebessert, die Komorbiditäten verringern sich und die Lebenserwartung steigt. Vor allem steigt auch die Lebensqualität und ist auch zehn Jahre nach einer Operation signifikant höher als bei Diabetikern ohne metabolische Operation.

Ziel der Metabolischen Chirurgie ist es, dass die Patienten gesünder und glücklicher werden

Die große Crux ist und bleibt die Nachsorge und die zwingende Notwendigkeit zur lebenslangen regelmäßigen Einnahme von Vitaminen, Spurenelementen und Mineralien. Je effektiver das Operationsverfahren ist, desto höher das Risiko von schwerwiegenden Mangelerscheinungen, wenn die Mikronährstoff e nicht ausreichend und konsequent eingenommen werden. Es gibt
daher auch nicht „das beste Operationsverfahren“. Und es gehört zur ärztlichen Kunst, in gemeinsamer Absprache mit jeder Patientin bzw. jedem Patienten das für sie/ihn beste Operationsverfahren auszusuchen. Die Abwägung muss getroffen werden in Abhängigkeit von der Dauer und der Schwere des Diabetes, in Abhängigkeit vom Alter, Geschlecht und BMI, in Abhängigkeit von Komorbiditäten und in Abhängigkeit von der mutmaßlichen Compliance bezüglich der Einnahme der Mikronährstoffe. Alle metabolischen Operationen werden heutzutage primär laparoskopisch durchgeführt. Metabolische Chirurgie ist kein Ersatz für konservative und medikamentöse Therapie des Typ-2 Diabetes. Sie kommt jedoch oft erst in einem weit fortgeschrittenen Stadium der Diabetes-Erkrankung zur Anwendung. Je früher sich ein Diabetiker zur Operation entschließt, desto besser sind die Langzeiterfolge. In den Fällen, bei denen es nicht zu einer kompletten und langjährigen Remission kommt, muss die medikamentöse Therapie gegebenenfalls weiter fortgesetzt werden. Eine medikamentöse Einstellung eines vormals schlecht einstellbaren Diabetes gelingt nun jedoch praktisch immer vollkommen problemlos und mit viel weniger Medikamenten. Somit ist die Metabolische Chirurgie eine wertvolle Ergänzung im Gesamtkonzept der Behandlung des Typ-2 Diabetes mellitus.

Die Sektion Metabolische Chirurgie am Hospital zum Heiligen Geist
Die neu gegründete Sektion Metabolische Chirurgie innerhalb der Allgemein- und Viszeralchirurgie des Hospitals zum Heiligen Geist behandelt unter der Leitung von Dr. med. Michael Frenken vorwiegend übergewichtige Patienten mit Typ-2 Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit). Die Sektion arbeitet eng mit der Klinik für Bariatrische und Metabolische Chirurgie und dem Adipositaszentrum am Krankenhaus Nordwest zusammen. Geplant ist der Aufbau eines Zentrums für Metabolische Chirurgie als zusätzlicher Schwerpunkt innerhalb der Abteilung für Allgemein- und Viszeralchirurgie. Ziel ist es, gemeinsam mit den niedergelassenen Kollegen und Therapeuten eine umfassende Betreuung von adipösen Patienten mit Diabetes in Frankfurt und der Region zu gewährleisten.

Zur Person Dr. med. Michael Frenken
Dr. Frenken hat sich nach seiner Promotion am Universitätsklinikum Düsseldorf auf die Thorax- und Kardiovaskularchirurgie sowie die Viszeralchirurgie spezialisiert. Von 2001 bis 2011 arbeitete Frenken als Chefarzt der Chirurgischen Abteilung in Monheim am Rhein. In Zusammenarbeit mit dem Diabeteszentrum Rheinland in Haan startete er dort erfolgreich ein Pilotprojet zur Behandlung von Patienten mit fortgeschrittenem Typ-2 Diabetes mellitus. Es folgten mehrjährige Aufenthalte im Universitätsklinikum Heidelberg, im Krankenhaus Sachsenhausen und zuletzt im Klinikum Fulda, wo er das Zentrum für Adipositas-, Diabetes- und Metabolische Chirurgie leitete. Die chirurgische Behandlung von Stoff wechselerkrankungen wie dem Typ-2 Diabetes mellitus gehört seitdem zu seinen besonderen Schwerpunkten.

Kooperierende Kliniken
Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie
Chefärztin Dr. med. Eun-Young Cho
Klinik für Bariatrische und Metabolische Chirurgie, Krankenhaus Nordwest
Chefärztin Dr. med. Sylvia Weiner

Leitung

Dr. med. Dipl. Biol. Michael Frenken

Leiter der Sektion für Metabolische Chirurgie