Krankenhaus Nordwest

Chirurgie im Wandel der Zeit

„Primum non nocere, secundum cavere, tertium sanare“: erstens nicht schaden, zweitens vorsichtig sein, drittens heilen! Dieser Leitgedanke der hippokratischen Tradition gilt für Ärzte aus aller Welt bis heute unverändert, auch nach 2000 Jahren. Die Geschichte der Chirurgie reicht dabei bis in die Anfänge der Menschheit zurück. Im antiken Rom und im Alten Ägypten nahm man operative Eingriffe bereits mit Metallwerkzeugen vor. Die Sectio cesarea (Kaiserschnitt-Entbindung) ist ein Begriff, der bis in die heutige Zeit bestand hat.

Im Mittelalter entstanden in den Klöstern die ersten Hospitäler, so auch in Frankfurt das Hospital zum Heiligen Geist als einzigartige städtische Stiftung. Die Arbeit des Chirurgen in der damaligen Zeit bestand vornehmlich in der Versorgung offener Wunden und in der Amputation von Gliedmaßen. Dennoch war die Tätigkeit des Arztes auch in Bereichen der Urologie bei Steinleiden und der Gynäkologie durchaus chirurgisch. Die ersten Operationssäle entstanden an den Universitäten im ausgehenden 18. Jahrhundert.

Die Medizin entwickelte sich seither rasant und wie in anderen wissenschaftlichen Bereichen ist die stete Weiterentwicklung und das Beschreiten neuer Wege die Grundlage für Innovation im Sinne der Verbesserung der Patientenversorgung: Als Ignaz Semmelweis Mitte des 19. Jahrhunderts die Ursachen für das Kindbettfieber erkannte, wurde der Hygiene von den Chirurgen erstmals eine Bedeutung beigemessen. So wurde z. B. damit begonnen, sich die Hände regelmäßig zu waschen und die Instrumente mit Karbol zu reinigen oder auch die Arbeitskleidung regelmäßig zu wechseln.

Durch die Arbeit von Robert Koch und Louis Pasteur, die Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts als Väter der Antisepsis gelten, gingen die Todesfälle bei Operationen merklich zurück. Die Reinigung und Desinfektion wurde in der Chirurgie so zum Standard bei Operationen.
 

Mit dem „ Äthertag von  Boston” begann die Ära der modernen Anästhesie

Nachdem William Thomas Green Morton 1846 die erste Äthernarkose bei einer Operation am Massachusetts General Hospital in Boston anwendete, begann mit dem „Äthertag von Boston“ die Ära der modernen Anästhesie. Die Allgemeinnarkose schaffte gleichsam die Voraussetzungen für die moderne Chirurgie, wie wir sie heute begreifen. Endlich war es möglich, durch Eröffnen des Abdomens, Erkrankungen der Bauchorgane zu behandeln, die zuvor immer den teilweise qualvollen Tod der Patienten bedeuteten. Das ausgehende 19. Jahrhundert sollte endgültig das Zeitalter der großen Chirurgen einläuten. Persönlichkeiten wie Theodor Billroth, William Stewart Halsted, Theodor Kocher, Michael Ellis DeBakey, Rudolf Nissen, Bill Heald, Mathieu Jaboulay und viele andere Kollegen prägen die Chirurgie noch heute. Viele chirurgische Operationstechniken oder Instrumente tragen die Namen dieser Pioniere der chirurgischen Heilkunde.

Es war der Kollege Kurt Semm der 1967 die Technik der Bauchspiegelung in der Gynäkologie einführte. Dies war der Auftakt für die Entwicklung der minimal invasiven Chirurgie. Dabei werden die Patienten mit Instrumenten operiert, die nur über Stichinzisionen eingeführt und mittels Kamerasicht kontrolliert werden. Im Unterschied zur klassischen, „offenen“ Technik, bei der die Bauchhöhle mit einem langen Schnitt geöffnet wird, sieht der Chirurg das Operationsfeld jetzt auf dem Bildschirm und bedient die Instrumente indirekt.
 

Zweite Wende der Chirurgie

Schon immer war es das Ziel der operativen Therapie, nach der Operation eine rasche Genesung mit geringen Schmerzen zu ermöglichen. Die laparoskopische Cholezystektomie wurde auf dem Deutschen Chirurgenkongress 1986 erstmals von Erich Mühe beschrieben. Zu Beginn der 1990er Jahre entwickelte sich die laparoskopische Chirurgie zunächst zum Standard für die operative Entfernung der Gallenblase, später auch bei der Durchführung komplexerer Operationen im Bauch- raum. Diese bahnbrechende Entwicklung der minimal invasiven Chirurgie wurde von dem Chirurgen Ernst Kern 1993 als „Zweite Wende der Chirurgie“ bezeichnet.
 

Spezialisierung der operativen Medizin – Minimal Invasive Chirurgie (MIC)

Heutzutage hat sich die Medizin spezialisiert und dies ist auch notwendig. Trotz einer breiten Ausbildung ist kein Arzt mehr in allen Bereichen versiert und so haben sich auch die operativen Fachbereiche verzweigt. Neben den schon lange separierten Fachabteilungen Gynäkologie und Urologie hat sich auch im Kernbereich der Chirurgie die Notwendigkeit weiterer Spezialisierungen ergeben. Neben der Trennung von Unfallchirurgie und Allgemeinchirurgie haben sich die Thoraxchirurgie, die Gefäßchirurgie, die Endokrine Chirurgie und die Neurochirurgie als eigenständige Gebiete entwickelt. In den USA geht die Spezialisierung noch weiter: Neben Upper GI-Surgeons und Lower GI-Surgeons, gibt es spezialisierte Adipositaschirurgen, Refluxchirurgen, Pankreaschirurgen etc..

Dennoch ist die gemeinsame Arbeit am Patienten und zum Wohle desselbigen weiterhin die oberste Maßgabe für die Ärzte. Doch statt wie früher alles selbst  zu können, setzen moderne Organisationsprinzipien auf Aufgabenteilung und dadurch Mehrgewinn für alle. So auch im Krankenhaus Nordwest. Gemeinsam werden die operativen Abteilungen des Krankenhauses den Weg eines Zentrums für minimal invasive Chirurgie beschreiten, um eine Optimierung der Patientenversorgung unter Nutzung gemeinsamer Ressourcen zu erzielen.

Neben dem Adipositaszentrum und dem Hernienzentrum werden die Themenbereiche der Upper und Lower GI, der Thoraxchirurgie, der Gynäkologie und der Urologie gemeinsam die Vorteile der minimal invasiven Chirurgie ausbauen. In den vergangenen zwei Jahrzehnten haben sich die minimal invasiven Operationstechniken fest etabliert und bereits viele konventionelle Operationsverfahren verdrängt.
 

Robotik und Augmented Reality

Dass es sich bei der minimal invasiven Chirurgie zweifellos um eine revolutionäre Entwicklung handelt, ist heute in allen operativen Disziplinen anerkannt. Das Ende dieser Entwicklung ist noch nicht abzusehen, da die minimal invasive Chirurgie bereits fließend in die so genannte Roboterchirurgie übergeht.

Tumor- oder rekonstruktive Operationen werden auch heute noch aus Sorge um die Qualität und Operationsdauer oftmals nicht oder nicht vollständig in minimal invasiver Technik durchgeführt. Der Einsatz eines Robotersystems kann diese letzte Grenze nun bei vielen Operationsverfahren durchbrechen. Ziel ist es, mittels roboterassistierter Systeme das operative Spektrum stetig zu erweitern. Der häufig gebrauchte Begriff „Roboterchirurgie“ ist dabei genau genommen nicht korrekt. Vielmehr handelt es sich um einen computergesteuerten Teleoperator, der nach dem sogenannten „Master-Slave-Prinzip“ arbeitet; ein technisches Gerät, das von einem menschlichen Leitstand aus ferngesteuert wird. Die hierbei zur Anwendung kommenden Sicherheitsstandards sind mit denen der Luftfahrt vergleichbar.

Der Chirurg steht nicht am Operationstisch, sondern sitzt an einer Konsole  und steuert die Instrumente sowie eine 3D-HD-Kamera. Der „Roboter“ arbeitet also nicht selbstständig oder automatisch. Es operiert der Chirurg mit Hilfe des „Roboters“, nicht umgekehrt. Die rechte und die linke Hand des Operateurs befinden sich in je einer frei beweglichen Griffeinrichtung. Das Robotersystem überträgt dabei die Finger-Hand-Bewegungen des Operateurs sehr präzise auf die robotischen Instrumente. Die Freiheitsgrade dieser Instrumente sind so denen herkömmlicher in der Laparoskopie weit überlegen.

Es operiert der Chirurg  mit Hilfe des „Roboters“,  nicht umgekehrt

Robotik und Augmented Reality

Ein weiterer wesentlicher Unterschied roboterassistierten Operierens zu herkömmlichen Verfahren ist die exzellente, stereotaktische Sicht auf das OP-Gebiet. Der Operateur sieht die Organstrukturen dreidimensional und bis zu zehnfach vergrößert. Die Bildqualität übersteigt die Möglichkeiten des menschlichen Auges um ein Vielfaches. Hierdurch ist eine bisher nicht erreichte Präzision in der minimal invasiven Chirurgie möglich.

Aktuell sind in den USA ca. 2.500, in Europa ca. 600 und in Deutschland ca. 85 chirurgische Robotersysteme im Einsatz. In Deutschland finden sich diese Systeme bereits nahezu flächendeckend an vielen Universitäts- und anderen Großkliniken im Einsatz. 2016 wurden weltweit mehr als 650.000 Operationen roboterassistiert durchgeführt.

Ein weiterer Aspekt der künftigen Chirurgie ist die sogenannte „Augemented Reality“ (AR). Erweiterte oder wörtlich übersetzt angereicherte Realitität bedeutet, dass die normale sinnliche Wahrnehmung eines Objekts – z. B. der Blick auf die chirurgische Anatomie bzw. den Situs –
durch die zusätzliche Integration weiterer Informationen intensiviert wird. In der konkreten chirurgischen Anwendung geht es dabei in erster Linie um die Ein- oder Überblendung bereits präoperativ gewonnener Daten. Durch diese Mehrinformation kann der chirurgische Eingriff prinzipiell zielgerichteter und sicherer gemacht werden. Hierbei kann also die Übertragung bildgebender Elemente, z. B. aus der Radiologie, in den Operationssitus erfolgen, um beispielsweise die Gefäßversorgung von Tumoren oder Metastasen sicher zu erkennen und zu unterbinden.

Robotik und AR werden zwar bedeutende Elemente der künftigen Chirurgie sein, aber sie sind eben auch nur Teilaspekte von „Chirurgie 4.0“ bzw. der digitalisierten Chirurgie. Die künftige Chirurgie wird geprägt werden durch den Einsatz vieler weiterer intelligenter Funktionssysteme, die vollständig miteinander vernetzt sind. Dennoch wird weiterhin ein nicht unerheblicher Anteil von Eingriffen, besonders auf dem Gebiet der onkologischen Chirurgie, eine Domäne der konventionellen operativen Therapie bleiben müssen, da große oder ausgedehnte Tumoren weiterhin eines entsprechend großen Zugangs bedürfen, um sicher entfernt werden zu können. Somit ist und wird die minimal invasive Chirurgie, ebenso wie die roboterassistierte Chirurgie, in allen Fachdisziplinen eine Erweiterung des Spektrums bleiben und in den Händen der versierten und trainierten Ärzte eine Ergänzung der bis jetzt bereits hochqualitativen Leistungen des Krankenhauses Nordwest darstellen.

Interdisziplinäres MIC-Zentrum

Das Zentrum für Minimal Invasive Chirurgie (MIC-Zentrum) am Krankenhaus Nordwest ist besonders spezialisiert und erfahren in der Anwendung minimal invasiver Operationsmethoden.

Beteiligte Kliniken: 
Gynäkologie und Geburtshilfe, Thoraxchirurgie, Urologie und Kinderurologie, Allgemein- und Viszeralchirurgie, Bariatrische Chirurgie.

Behandlungsschwerpunkte:
Adipositaschirurgie, Refluxchirurgie, Hernienchirurgie, Laparoskopische Kolorektalchirurgie/ Cholecystektomie, Laparoskopische Endometriose/ Myomoperationen, Thorakoskopische Verfahren/Minimal invasive Thymuschirurgie, Laparoskopische Operationen an Niere und Prostata
 

Chefärztin

Dr. med. Sylvia Weiner

Fachärztin für Allgemeinchirurgie, Notfallmedizin, Adipositaschirurgie

Zur Klinik für Bariatrische und Metabolische Chirurgie