Krankenhaus Nordwest

Zehn Jahre UCT

Das Universitäre Centrum für Tumorerkrankungen Frankfurt (UCT) entstand vor zehn Jahren als Krebszentrum des Krankenhauses Nordwest und des Universitätsklinikums Frankfurt. Es ist eines der wenigen onkologischen Spitzenzentren in Deutschland. Die Stiftung sprach mit zwei Ärzten, die von Anfang an dabei sind.

DIE STIFTUNG:  Warum bedurfte es vor zehn Jahren einer ganz neuen Einrichtung, dem UCT?

Prof. Dr. Elke Jäger: » In Frankfurt gab es damals noch nicht so viele Angebote für eine qualitativ hochwertige und strukturierte Versorgung von Krebspatienten: Die Krankenhäuser arbeiteten eher separat und waren in ihrem Angebot recht unterschiedlich. Das UCT sollte das ändern und wurde direkt
nach der Gründung von der Deutschen Krebshilfe als Onkologisches Spitzenzentrum anerkannt. Die fortgesetzte Begutachtung und Förderung verursachte an beiden UCT-Standorten einen regelrechten Aufwärtssog der Entwicklung. Und genau diese Entwicklung kommt beim Patienten an. Deswegen sind wir auch gerne Partner im UCT. «

Prof. Dr. Salah-Eddin Al-Batran: » Die Akkreditierung als Krebsspitzen- Zentrum hatte eine bessere Qualität von Forschung und Versorgung zum Ziel und war eine Folge laufender Initiativen, die medizinische Betreuung in Deutschland zu verbessern. In der Vergangenheit hatte die dezentrale Versorgungsstruktur verschiedentlich zu Problemen geführt. Deswegen war der Schulterschluss der beiden Häuser logisch. Die fachliche Exzellenz entstand dann aus Spezialisierung, interdisziplinärem Austausch und der Arbeit entlang von gemeinsamen Standards. Außerdem können unsere Ärzte seither leichter habilitieren und einen wissenschaftlichen Werdegang verfolgen. Das ist erstrebenswert, weil eine Tätigkeit in Lehre und Wissenschaft dazu führt, dass man sich als Mediziner noch intensiver mit seinem Fach auseinandersetzt. Das UCT verleiht dem Krankenhaus Nordwest also einen universitären Charakter, erlaubt uns aber auch als Wissenschaftler noch nah am Patienten zu sein. «

Das Krankenhaus am Rande der Stadt als Partner der Uniklinik am Main. Wie kam das?

Prof. Dr. Elke Jäger: » Wir haben bereits seit 1992 eine eigene und mit 90 Betten sehr große onkologische Fachklinik – eine Seltenheit in Krankenhäusern außerhalb von Universitäten. Damit verfügte unser Haus bereits über einen etablierten onkologischen Schwerpunkt und das nicht allein in der entsprechenden Klinik selbst, sondern auch in Disziplinen wie Chirurgie, Gynäkologie oder den diagnostischen Fächern. Von Anfang an haben wir ein eigenes Forschungslabor unterhalten, Studien betrieben und die wissenschaftliche Fahne hochgehalten. Wir waren für die Universität der ideale Partner. Zudem fehlte dem Universitätsklinikum Frankfurt eine Palliativstation. Das Krankenhaus Nordwest hingegen hatte 1996 die erste Palliativstation Hessens eingerichtet, die heute mit 22 Betten die größte des Landes ist. Mit Hilfe des SAPV-Teams sind wir auch in der Lage, die Patienten daheim palliativ zu betreuen. «

Wie sieht die praktische Arbeitsteilung der beiden Standorte des UCT aus?

Prof. Dr. Elke Jäger: » Die Häuser ergänzen sich: Die akute Hämatologie ist heute hauptsächlich an der Uniklinik verortet und das Krankenhaus Nordwest hat bei der Behandlung solider Tumoren einen Schwerpunkt. Gemeinsam fungieren wir als koordinierende Einrichtungen des Hessischen Onkologiekonzepts (HOK) des Landes Hessen. Durch die verschiedenen Arbeitsgemeinschaften, etwa zu den Behandlungsleitlinien, haben wir im Versorgungsgebiet Frankfurt-Offenbach eine Führungsrolle übernommen. Zum Erfolg des UCT hat aber auch die Gründung des Instituts für Klinisch-Onkologische Forschung (IKF) durch das Krankenhaus Nordwest beigetragen, was uns eine unabhängige wissenschaftliche Einrichtung beschert hat. «


Das Krankenhaus Nordwest engagiert sich also stark in der Forschung?

Prof. Dr. Salah-Eddin Al-Batran: » Richtig, und durch das UCT hat sich dies noch verstärkt: Der Anspruch mit einer universitären Einrichtung auf Augenhöhe zu arbeiten, hat uns angespornt, die wissenschaftliche Leistung zu konsolidieren. Daneben profitieren wir auch von verschiedenen Aspekten der Förderung und können so wirklich nachhaltige Forschung betreiben. So haben unsere Studien an Magen- und Speiseröhrenkrebs die weltweiten Behandlungsstandards geändert. Das Ergebnis ist eine echte Verbesserung der Lebenserwartungund sogar der Heilungschancen. Und nun erleben wir aktuell revolutionäre Entwicklungen in der Onkologie – etwa die Einführung der individualisierte Therapie und der neuen Immuntherapien – und hoffen natürlich auf weitere Erfolge. «

Wie reagiert das Haus auf solche wissenschaftliche Umwälzungen?

Prof. Dr. Elke Jäger: » In der Tat treffen wir mit unserem bisherigen Tun gerade auf eine explosionsartige Entwicklung ganz neuer Medikamente. Das passt in besonderer Weise zu unserer Ausrichtung: Seit den frühen 90er Jahren haben wir uns am Krankenhaus Nordwest mit der Tumorimmunologie beschäftigt, haben etwa die frühen Krebsimpfungen erforscht und untersucht, wie sich das Immunsystem als Reaktion auf das Vorhandensein einer Krebserkrankung verhält. So bekommen unsere vorhandenen Ansätze nun einen gewaltigen Schub. «

Was heißt das für die Behandlung von Krebspatienten?

Prof. Dr. Salah-Eddin Al-Batran: » In zehn Jahren wird die Onkologie nicht mehr dieselbe sein, die wir heute betreiben. Betrachtet man das Momentum der derzeitigen Entwicklung, dann haben wir es künftig mit einer ganz anderen Art zu tun, wie wir Patienten behandeln. Die neuen Therapien werden zunehmend die klassische Chemo verdrängen. Es werden nicht länger alle Patienten überall die gleiche Standardtherapie bekommen. Vielmehr wird jeder Tumor auf bestimmte Biomarker getestet und der Patient erhält folglich eine auf ihn persönlich maßgeschneiderte Therapie. «

Welche Herausforderungen bringt das nächste Jahrzehnt dem UCT?

Prof. Dr. Elke Jäger: » Die organisatorischen Aufgaben dürften zunehmen, um all diese markerbezogenen Therapien und Diagnostikschritte abzustimmen und die medizinischen Netzwerke müssen sich auch vergrößern. Das ist ein erster Punkt. Der zweite: Krebspatienten haben heute schon eine wesentlich bessere Prognose als noch vor einem Jahrzehnt und in weiteren zehn Jahren natürlich erst recht. Das heißt, wir werden unglaublich viele Menschen zu versorgen haben, die mit ihrer Erkrankung lange, lange überleben können. Es kann dann nicht mehr alleine darum gehen, den einzelnen Fall über kurze Zeit intensiv zu behandeln, sondern darum, über den Krankheitsverlauf hinweg immer wieder Änderungen der Tumoreigenschaften festzustellen und dann passende Medikamente zu fi nden. Die Bedeutung der unterstützenden Disziplinen gewinnt in diesem Rahmen stark an Bedeutung: Psychologie, Sport, Ernährung – alles, was es braucht, um den Erkrankten in möglichst gutem Zustand zu halten. Es kommen große Patientenzahlen auf uns zu und wir sind künftig mit einem Krankheitsmanagement im Sinne einer chronischen Erkrankung konfrontiert. «

Das Gespräch führte Benjamin Eckenfels

Das Universitäre Centrum für Tumorerkrankungen Frankfurt (UCT) – Interdisziplinarität über zwei Standorte

Das UCT wurde 2008 als gemeinsame Institution des Krankenhauses Nordwest und des Universitätsklinikums Frankfurt, des Fachbereichs Medizin der Goethe- Universität, gegründet. Das UCT hat somit zwei Standorte in Frankfurt: Am Krankenhaus Nordwest in Praunheim und in Niederrad am Universitätsklinikum Frankfurt.

Es bestehen zahlreiche Kooperationen mit umliegenden Krankenhäusern und Praxen im Großraum Frankfurt und im Rhein-Main-Gebiet. Seit dem Jahr 2009 fördert die Deutsche Krebshilfe das UCT als „Onkologisches Spitzenzentrum“. Zusätzlich ist das UCT ein von der Deutschen Krebsgesellschaft zertifi ziertes „Onkologisches Zentrum“.

Chefärztin

Prof. Dr. med. Elke Jäger

Fachärztin für Innere Medizin, Fachärztin für Hämatologie und Onkologie, Palliativmedizin

Ärztlicher Direktor

Prof. Dr. med. Salah-Eddin Al-Batran

Facharzt für Innere Medizin, Hämatologe und Onkologie, Spezielle Schmerztherapie