Stiftung Hospital zum Heiligen Geist

„Pflegefachkräftemangel in Deutschland – Der Pflegeberuf muss attraktiver werden“

In Deutschland gibt es zu wenig Pflegekräfte. Seit der Bundestagswahl ist die Situation in der Pflege wieder in den Fokus des öffentlichen Interesses gerückt. Mit Hilfe eines Sofortprogramms der Bundesregierung sollen zusätzliche Fachpflegestellen in der stationären Alten- und Krankenpflege geschaffen werden. Nicht klar ist, ob das ausreicht und ob der Arbeitsmarkt dies überhaupt hergibt. Laut Bundesregierung können 36.000 Stellen bundesweit nicht besetzt werden. Der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) geht sogar von deutlich mehr fehlenden Stellen aus und spricht von 100.000 Stellen, die in der professionellen Pflege fehlen. Die Redaktion Die Stiftung sprach mit Dagmar Lavi, Pflegedirektorin für das Krankenhaus Nordwest und das Hospital zum Heiligen Geist, über die Zukunft der Pflege.

DIE STIFTUNG:
Frau Lavi, was sind die aktuellen Herausforderungen in der Pflege?

Dagmar Lavi: » Seit 2003 wurden rund 25 Prozent der Pflegekräfte in Krankenhäusern abgebaut und die Ausbildung für diese Berufsgruppe vernachlässigt. Hintergrund war die Annahme, dass durch die Einführung der Fallpauschalen Krankenhäuser schließen müssen und weniger Personal benötigt wird. Dies ist nicht eingetreten. Ganz im Gegenteil: Die Anzahl der Patienten hat sich stattdessen erhöht, während sich gleichzeitig die Liegezeiten verkürzt haben. Die Arbeitsintensität hat also zugenommen. Man möchte inzwischen gegensteuern und mehr Personal einstellen, allerdings ist der Markt – insbesondere in Ballungsgebieten mit einer hohen Krankenhausdichte wie Frankfurt und das Rhein-Main-Gebiet – nahezu leergefegt. Eine weitere Herausforderung ist es daher, unseren Berufszweig und unser Berufsbild in der Öffentlichkeit attraktiver zu machen und die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass unsere Mitarbeiter ihre Arbeit mit Enthusiasmus und Herzblut ausüben können. «

Welche konkreten Lösungen sehen Sie, um den Mangel an Pflegekräften grundsätzlich in den Griff zu bekommen?

»Die im Sofortprogramm der Regierungskoalition angekündigten 8.000 Fachpflegestellen sind ein Anfang – doch das reicht auf keinen Fall. Die Stiftung Hospital zum Heiligen Geist setzt inzwischen verstärkt auf Ausbildung, um den eigenen Bedarf an qualifizierten Mitarbeitern zu decken. Wir haben eine eigene Ausbildungsstätte, die Agnes-Karll-Schule, die wir gemeinsam mit dem Universitätsklinikum Frankfurt betreiben. Jedes Jahr werden inzwischen an der Krankenpflegeschule bis zu 120 neue Schüler der Gesundheits- und Krankenpflege aufgenommen. Diese Schule ist sehr wichtig für uns, da wir so einen Teil unseres Personals aus den eigenen Reihen rekrutieren und weiterbilden. Darüber hinaus suchen wir natürlich ständig auf dem Arbeitsmarkt nach gut ausgebildeten Pflegefachkräften. «

Welche Argumente sprechen für die Stiftung als Arbeitgeber?

» Wir legen sehr viel Wert auf eine hochqualifizierte Aus- und Weiterbildung und die Entwicklungsmöglichkeiten unserer Mitarbeiter. Daher bieten wir eine ganze Reihe Weiterbildungsmöglichkeiten an, wie die staatlich anerkannten Fachweiterbildungen für Anästhesie und Intensivpflege und in Kooperation für onkologische und palliative Versorgung sowie für den Operationsdienst. Besonders qualifizierte Mitarbeiter bereiten wir auf Führungsaufgaben vor. In Kooperation mit der Carl Remigius Medical School in Frankfurt bieten wir seit 2014 das duale Bachelor-Studium „Gesundheits- und Krankenpflege“ an. Dieser duale Studiengang ist ein Alleinstellungsmerkmal für unser Haus und eine sehr gute Möglichkeit, junge Menschen auf Dauer für den vielfältigen Pflegeberuf zu begeistern. Durch diese Angebote gelangen wir an hoch qualifizierte Mitarbeiter, die wir für die Funktionsfähigkeit unserer Häuser dringend benötigen. Sie dürfen nicht vergessen, dass die sensiblen Funktionsbereiche wie etwa eine Intensivstation nur dann in voller Auslastung betrieben werden dürfen, wenn die entsprechende Zahl an fachlich qualifizierten Pflegern zur Verfügung steht. Außerdem verspricht die mehr als 750 Jahre alte Stiftung einen sicheren und zuverlässigen Arbeitsplatz mit vielen Vorteilen wie z. B. ein großes Angebot des Betrieblichen Gesundheitsmanagements, Betreuungsplätze in unserer Kindertagesstätte im Krankenhaus Nordwest sowie eigene Mitarbeiterwohnungen. «

Wie wird sich der Pflegeberuf Ihrer Meinung nach in den nächsten Jahren ändern?

» Der Pflegeberuf muss attraktiver werden. Ein Großteil unserer Nachbarländer setzt schon seit Langem eine mindestens zwölfjährige allgemeine Schulbildung voraus und bildet angehende Pflegekräfte an Hochschulen aus. In Deutschland wird es dafür höchste Zeit. Durch die Akademisierung der Pflege verbunden mit den hohen Anforderungen an diesen Beruf sowie einer leistungsgerechten Bezahlung können wir es schaffen, ein größeres Selbstbewusstsein für diesen Berufszweig zu entwickeln. Innerhalb der Pflege ist eine Differenzierung in Assistenz- bis hin zu Leitungsfunktionen möglich, die auch eine unterschiedliche Bezahlung erfordert. Nicht zu vernachlässigen ist das Thema Digitalisierung in der Pflege. Hier gibt es einen klaren Trend zum Beispiel in Richtung Telemedizin. Das Krankenhaus Nordwest bietet bereits seit einigen Jahren telemedizinische Versorgungen unter anderem in den Bereichen Neurologie und Palliativmedizin an. Zukünftig werden technische Assistenzsysteme, wie Service- Roboter, Aufgaben wie Erinnerung an die Einnahme von Medikamenten oder Überwachung von Vitalfunktionen übernehmen. Dies entlastet die Pflege und eröffnet neue Aufgaben. Pflege ist meiner Meinung nach ein sehr anspruchsvoller Beruf. Und: Die Pflege ist stark, zahlreich und muss endlich für ihre Rechte eintreten. «

Das Gespräch führte Brigitte Ziegelmayer.

Direktion

Dagmar Lavi