Krankenhaus Nordwest

Von Fett und Zucker mit dem Messer geheilt? Multimodale Therapie und metabolische Chirurgie

Immer mehr Menschen in Deutschland leiden an krankhaftem Übergewicht (Adipositas) und dessen Folgeerkrankungen wie Diabetes, aber auch Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Schlafapnoe. Dies stellt bereits jetzt ein zunehmendes sozio-ökonomisches, aber auch medizinisches Problem dar. Konservative Maßnahmen bringen häufig nur im Rahmen eines strukturierten multimodalen Konzepts Therapieerfolge. Kurzfristige Diäten ohne ärztliche Begleitung enden meist mit dem Jo-Jo-Effekt. Bei starkem Übergewicht und bestehenden Begleiterkrankungen hat die Adipositaschirurgie international einen bedeutenden Stellenwert erlangt.

von Dr. med. Sylvia Weiner

Oberärztin an der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie, Leitung des interdisziplinären Adipositaszentrums am Krankenhaus Nordwest

In Deutschland ist die Zahl der jährlich durchgeführten Operationen steigend, doch noch nicht ausreichend in Zentren etabliert. Das Krankenhaus Nordwest ist seit den 70er Jahren bereits eng mit der
Thematik verwurzelt und bietet als eines der wenigen Häuser in der Region sowohl multimodale Therapiekonzepte als auch chirurgische Maßnahmen am interdiziplinären Adipositaszentrum an.

Adipositas wird durch den sogenannten Körpermassenindex (Body-Mass-Index = BMI) berechnet und in verschiedene Stadien eingeteilt (Tab. 1). In Deutschland sind derzeit ca. 50 Prozent der Gesamtbevölkerung übergewichtig und ca. 2,9 Prozent haben eine Adipositas Grad 2 mit einem BMI > 35 kg/m² mit entsprechenden Komorbiditäten zu verzeichnen.

Enge Kooperation mit beteiligten Kliniken und Instituten

In den aktuellen Leitlinien der deutschen Adipositasgesellschaft sind die Indikationsstellungen zu einer operativen Therapie klar definiert (s. Tab. 2).

Adipositas mit einem BMI < 50 kg/m² sollte zunächst in einem sogenannten multimodalen Konzept behandelt werden. Hierzu gehören neben der angeleiteten Ernährungsumstellung durch einen Ernährungsberater auch die angepasste Steigerung der körperlichen Aktivität und ggf. eine verhaltenstherapeutische Begleitung.

Im Adipositaszentrum am Krankenhaus Nordwest wird ein solches multimodales Konzept im Rahmen des OPTIFAST®-Programms angeboten, aber auch im Sinne einer Modul-Struktur: Durch Individualtherapien bei unseren staatlich geprüften Diätassistenten und einem physiotherapeutisch betreuten Training im TRIAMEDIS Gesundheitszentrum kann bereits Gewicht reduziert werden. Eine psychologische Begleitung bieten Kooperationspartner im Rhein-Main-Gebiet.

Die Vorstellung in einem Adipositaszentrum sollte daher allen Patienten mit einem BMI > 30 kg/m² empfohlen werden, um frühzeitig konservative Maßnahmen einleiten zu können. Da die Patienten häufig bereits multiple konservative Ansätze hinter sich gebracht haben, empfiehlt sich die Vorstellung zur operativen Therapie bereits ab einem BMI > 40 kg/m², da beim Vorliegen von Begleiterkrankungen konservative Programme zumeist nur unzureichende Ergebnisse erzielen. Bei diesen Patienten und ab einem BMI > 50 kg/m² wird in der Leitlinie klar die Notwendigkeit einer metabolischen Operation definiert.

Warum metabolische Operation?

Bei der Adipositas werden verschiedene Veränderungen im Stoffwechsel der Patienten beschrieben, so dass neben der veränderten Produktion von sogenannten Inkretinen (z. B. GLP-1, PYY) auch eine Störung der mikrobiellen Besiedelung im Dickdarm ursächlich zu sein scheint. Beide Mechanismen werden durch Veränderung der Magen-Darm-Passage moduliert, so dass neben einer Veränderung des Geschmacks (Abneigung gegen Süßes) und verstärktem Sättigungsgefühl auch die Steigerung des Stoffwechsels bewirkt werden. Bei Patienten mit Diabetes kann die Erkrankung bereits unmittelbar postoperativ in Remission gebracht werden (unabhängig vom Gewichtsverlust).

Aus diesem Grund empfehlen die internationalen diabetologischen Fachgesellschaften in einem im November 2016 veröffentlichten Consensus Statement in der Fachzeitschrift Diabetes Care die frühzeitige metabolische Operation bei Diabetes mellitus Typ 2 ab einem BMI > 30 kg/m2. Auch die American Heart Association empfiehlt metabolische Operationen bei einem BMI > 40 kg/m², um das kardiovaskuläre Risiko zu senken.

Operation - einfach so?

Um eine Kostenübernahme für eine Operation zu erhalten, muss der Patient intensiv vorbereitet und aufgeklärt sowie psychologisch und ernährungsmedizinisch eingestellt werden. Nach Indikationsstellung in der interdisziplinären Adipositas-Sprechstunde kann ein Gutachten für die Patienten erstellt werden, um es dem Antrag auf Kostenübernahme der Krankenkasse beizufügen. Derzeit erfolgt regelhaft eine Einzelfallprüfung durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen.

Aus diesem Grund bietet das Team im Krankenhaus Nordwest regelmäßig Patienten-Informationsveranstaltungen an und berät Adipositaspatienten in ausgewiesenen Sprechstunden. In der Klinik werden zudem besonders geeignete Mobiliare (Untersuchungstische, Stühle, Betten, Rollstühle) vorgehalten. Seit Juni 2017 wird eine BIA-Messung zur besseren Untersuchung angeboten.

Nach Genehmigung durch die Krankenkassen kann eine Operation geplant werden. Unabhängig von der Art des Eingriffs werden die Patienten in einem dreiwöchigen Leberfasten und mit einer ausführlichen Aufklärung auf die Operation vorbereitet. Die Abläufe sind in der gesamten Klinik standardisiert und erfüllen die hohen Qualitätskriterien und Vorgaben der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie (DGAV).

Operationsverfahren

Im Krankenhaus Nordwest werden alle Operationen minimal invasiv durchgeführt und es werden alle Verfahren, die als wissenschaftlich etabliert gelten, angeboten. Insbesondere der Schlauchmagen und der Magenbypass werden als Goldstandard-Verfahren regelmäßig durchgeführt. Durch die systematische Datenerfassung im nationalen Register (StuDoc der DGAV) kann im Krankenhaus Nordwest eine überdurchschnittlich gute Qualität gezeigt werden.

Roux-en-Y-Magenbypass

Im Rahmen dieser Operation wird am Mageneingang eine etwa 20 ml fassende Tasche (sogenannte Pouch) gebildet. Der Hauptteil des Magens wird ausgeschaltet, verbleibt jedoch im Patienten. Die Magentasche wird anschließend mit dem Dünndarm verbunden, wobei unterschiedlich große Strecken des Dünndarms aus der Nahrungspassage ausgeschaltet werden. So wird einerseits das Volumen der auf einmal möglichen Nahrungszufuhr stark eingeschränkt, andererseits die Verdauung zusätzlich gemindert.

Der proximale Magenbypass ist einer der internationalen Standardbehandlungen der Adipositaschirurgie. Er zählt zu den am häufigsten eingesetzten Verfahren und führt zur besten Gewichtsabnahme. Sein Hauptwirkprinzip ist die Restriktion von fester Nahrung, gefolgt von einer Reihe weiterer Mechanismen. Besonders geeignet ist das Verfahren bei insulinpflichtigen Diabetikern, da in vielen Fällen schon nach wenigen Tagen die Insulinzufuhr deutlich eingeschränkt oder völlig beendet werden kann – und dies sogar, bevor sich ein signifikanter Gewichtsverlust bemerkbar macht (wenn der Diabetes nicht länger als 15 Jahre bestand). Deswegen werden inzwischen sogar Patienten wegen des Diabetes mit einer Magenbypass-Operation behandelt, auch wenn sie kein so hohes Übergewicht haben (auch bei BMI < 35kg/m²).

Prinzipien und Vorteile des Magenbypasses

  • Durch den kleinen Pouchmagen (Volumen ca. 20 ml) kann der Patient nur kleine Portionen zu sich nehmen.
  • Die Trennung von Speisebrei und Verdauungssäften in zwei „Schenkel“, die später wieder zusammengeführt werden, bewirkt, dass weniger Kalorienträger in den Körper aufgenommen werden als vorher.
  • Hormonelle Effekte gegen Diabetes Typ 2, Bluthochdruck und andere Begleiterkrankungen sind sehr wirksam und entstehen dadurch, dass der Nahrungsbrei nicht mehr den Zwölffingerdarm (Dünndarm im Anschluss an den Magen) durchläuft.
  • Wegen der extrem positiven Wirkung auf Diabetes Typ 2, der in vielen Fällen komplett verschwindet, werden immer mehr Diabetiker operiert, auch wenn die Adipositas noch nicht so ausgeprägt ist.
  • Sodbrennen/Reflux verschwinden aufgrund der neuen Druckverhältnisse.
  • Eine Schwangerschaft nach Magenbypass-Operation ist möglich.

Schlauchmagen (Sleeve-Gastrektomie)

Bei der Schlauchmagen-Operation wird aus dem sackförmigen Magen ein 2 bis 3 Zentimeter im Durchmesser haltender Schlauch gebildet. Durch die Resektion des sogennanten Magenfundus wird jenes Areal entfernt, in dem die appetitanregende Substanz Ghrelin und deren Rezeptoren gebildet werden. Nach dem Eingriff ist daher das Hungergefühl deutlich reduziert. Zusätzlich kann der verkleinerte Magen
keine größeren Speisemengen aufnehmen. Die Gewichtsabnahme liegt bei ca. 70 Prozent des Übergewichtes. Die Operation wird laparoskopisch (Schlüssellochchirurgie) durchgeführt.

Prinzipien und Vorteile des Schlauchmagens

  • Durch den kleinen Schlauchmagen (Volumen ca. 150 ml) kann der Patient nur kleine Portionen zu sich nehmen.
  • Es kommt durch die Resektion des Magenfundus zur einer reduzierten Ghrelin-Ausschüttung.  Weiterhin wird wenig Säure dem Speisebrei zugefügt und daher die Verdauung erschwert.
  • Der Zwölffingerdarm und die Gallenwege sind weiterhin endoskopischen Verfahren zugänglich.
  • Sofern hohe Dosen an aciden Medikamenten eingenommen werden, ist die Gefahr von Ulcera (Geschwüren) gegenüber dem Magenbypass reduziert.
  • Raucher haben ein geringeres Risiko ein Ulcus zu entwickeln als beim Magenbypass.
  • Sodbrennen/Reflux können verschwinden, aber auch bei 15 Prozent der Patienten „de novo“ auftreten, die Mechanismen hierfür sind vielfältig.
  • Eine Schwangerschaft nach Schlauchmagenoperation ist möglich.

Allgemeine Vorteile beider Operationsverfahren

  • Die gesamten positiven Veränderungen führen meistens zu einer psychischen Verstärkung. Viele Patienten erfuhren so starke Veränderungen an ihrem Körper und für ihr Leben, dass sie nicht nur gesünder, sondern auch glücklicher wurden.
  • Der Klinikaufenthalt liegt unter einer Woche, die Patienten kommen sehr schnell wieder auf die Beine und haben einen geringen Schmerzmittelbedarf.
  • Die Operation wird in minimal invasiver Technik mit mehreren kleinen Schnitten in Schlüssellochtechnik durchgeführt.
  • Der Gewichtsverlust beträgt 70 Prozent des Übergewichtes.

 

Adipositaszentrum

Telefon
E-Mail leschinski.maria(at)khnw(dot)de