Krankenhaus Nordwest

Schonende Behandlung der benignen Prostatahyperplasie mit Wasserdampf

Die benigne Prostatahyperplasie (BPH) ist eine gutartige Vergrößerung der Prostata. Die Erkrankung macht sich durch lästige Probleme beim Wasserlassen bemerkbar, was bei rund 30 Prozent aller Männer über 65 Jahren vorkommt.

In der Klinik für Urologie und Kinderurologie am Krankenhaus Nordwest wurde jetzt erstmals das Rezüm™-System zur Behandlung der gutartigen Prostatavergrößerung erfolgreich eingesetzt. Die konvektive Wasserdampfablation (convective water vapor energy, WAVE™) mit dem Rezüm™- System ist kaum aufwendiger als eine Cystoskopie.

Die Dampfablation erfolgt unter endoskopischer Kontrolle an streng definierten Lokalisationen. Die Behandlung kann in Allgemeinanästhesie, Sedierung oder lokaler Anästhesie erfolgen. Bei der Behandlung mit dem Rezüm™- System werden kontrollierte Mengen von gespeicherter, thermischer Energie mittels sterilen Wasserdampfes gezielt in das zu behandelnde Prostatagewebe geführt. Behandelt wird die innere Zone der Prostata, die sogenannte Transitionalzone, welche die Vergrößerung der Prostata (und somit die Obstruktion) verursacht. Durch Kontakt mit dem Gewebe kondensiert der Dampf in seinen flüssigen Zustand und gibt dabei die gespeicherte thermische Energie frei. Diese Energie wirkt direkt auf die Zellen im Behandlungsgebiet ein und ermöglicht den Abtrag des überschüssigen Gewebes. Die Drüsenstruktur der Prostata wird denaturiert und es erfolgt ein Umbau im Narbengewebe und damit eine Schrumpfung der periurethralen Prostataanteile. Der Weg für den Harnfluss wird somit wieder freigegeben. Der Schrumpfungsprozess dauert je nach Größe der Prostata und Drüsenbeschaffenheit einige Wochen. Mit wenigen Tropfen Wasser wird so eine schonende und minimal invasive Behandlung der BPH ermöglicht. Direkt nach der Behandlung erhalten Patienten mit geringen Beschwerden einen transurethralen Katheter, der nach drei Tagen entfernt wird.

Patienten mit Harnverhalt oder Restharn (> 150 ml präoperativ) erhalten einen suprapubischen Katheter, der nach restharnfreier Miktion entfernt wird. Die in der Literatur angegebene Nebenwirkungsarmut kann jetzt schon bestätigt werden. Bei bisheriger Selektion und Beschränkung auf Hochrisikopatienten sind die Behandlungsergebnisse bei der noch kurzen Beobachtungsdauer zufriedenstellend. In einer amerikanischen Studie (Kevin T. McVary et al , Journal of Urology, Mai 2016) wurden 197 Männer prospektiv blind randomisiert untersucht. Am Ende der verblindeten Phase nach drei Monaten zeigten sich deutliche Unterschiede zwischen den vaporisierten Patienten und der Kontrollgruppe. Der internationale Prostata Symptome Score (IPSS) verbesserte sich von 22,0 auf 10,8 und in der Kontrollgruppe von 21,9 auf 17,5. Der Unterschied zwischen beiden Gruppen ist hoch signifikant (p<0,0001). Der maximale Harnfluss verbesserte sich von 9,9 ml/s auf 16,1 ml/s in der Behandlungsgruppe und von 10,4 ml/s auf 10,8 ml/s in der Kontrollgruppe; auch dieser Unterschied ist hoch signifikant. Die Lebensqualität stieg von 4,4 auf 2,3 in der REZUM-Gruppe und von 4,4 auf 3,5 in der Kontrollgruppe. Dieser Unterschied ist ebenfalls hoch signifikant. Als schwere Nebenwirkung trat bei einem Patienten Übelkeit auf das Narkotikum und bei einem anderen Patienten ein prolongierter Harnverhalt auf. Die übrigen Nebenwirkungen waren mit Dysurie in 16,9 Prozent, Haematurie 11,8 Prozent, vermehrtem Harndrang 5,9 Prozent, Harnverhalt 3,7 Prozent sehr gering. Die Behandlungsgruppe wurde für ein weiteres Jahr untersucht. Eine mindestens 30-prozentige Verbesserung des IPSS- Scores hatten nach drei Monaten 74 Prozent, nach 6 Monaten 72 Prozent und nach 12 Monaten 71 Prozent der Patienten. Der Behandlungserfolg war somit über ein Jahr konstant. Patienten mit IPSS-Werten über 19 (starke Beschwerden) profitierten zu 84,9 Prozent.

Insgesamt verbesserte sich nach 12 Monaten der IPSS-Score um 53 Prozent, der Qmax um 54 Prozent und die Kontinenz um 25 Prozent (nach ICS male IS-SF). Eine vor der Behandlung bestehende Inkontinenz (unwillkürlicher Urinverlust) besserte sich folglich und es trat keine neue Inkontinenz auf. In dem Zeitraum von 3-12 Monaten nach der Behandlung traten lediglich bei einem Patienten dysurische Beschwerden und bei zwei Patienten eine Reduktion des Ejakulatvolumens auf. Die bei anderen desobstuierenden Verfahren auftretende retrograde Ejakulation ist hier also praktisch nicht vorhanden.

67 Prozent der Patienten waren sexuell aktiv. Eine erektile Dysfunktion trat bei keinem der Patienten neu auf. Die Autoren diskutieren, dass die Ener- gieapplikation mit Wasserdampf effektiver ist als bei anderen minimal invasiven lokal ablativen Verfahren wie Mikrowelle (TUMT) oder Radiofrequenzablation (TUNA). Die Herausgeber kommentieren dies dahingehend, dass der Effekt von WAVE doppelt so groß sei wie der von TUMT. In einer weiteren multizentrischen internationalen Studie (Dixon et al, Journal of Urology Mai 2016) konnten über zwei Jahre eine Senkung des IPSS um 12,1 Punkte oder 55 Prozent, Steigerung des Qmax um 3,9 ml/s bzw. 58 Prozent bei 65 Männern beobachtet werden. Somit sind die Ergebnisse über 2 Jahre stabil.

Die Indikation zur Dampfvaporisation der Prostata besteht grundsätzlich bei allen Patienten mit vergrößerter Prostata, die eine schonende Behandlung wünschen. Es sollte ein normaler rektaler Tastbefund und PSA-Wert vorliegen – also kein Verdacht auf ein Prostatakarzinom bestehen, da das Gewebe nicht entfernt wird und somit auch keine histologische Untersuchung möglich ist. Der Aspekt „schonende Behandlung“ beinhaltet das fehlende Risiko des Blutverlustes und die nicht vorhandene Einschwemmung von Spüllösung. Es werden keine Gefäße bei der Behandlung eröffnet. Eine Wärmeausbreitung über die Prostata hinaus findet nicht statt. Auch dauert die Behandlung selbst nur ca. 10-15 Minuten und bedarf keiner tiefen Narkose. Die spezielle Indikation ist bei Patienten mit hohem OP-Risiko oder hohem Narkoserisiko. In den Studien waren keine Patienten nach Harnverhalt oder mit blutgerinnungshemmender Medikation eingeschlossen. Nach unserer Erfahrung müssen blutgerinnungshemmende Medikamente nicht abgesetzt werden, sondern sollten kontinuierlich weitergegeben werden. Ebenso können Patienten nach Harnverhalt oder längerfristig bestehender Harnableitung mittels Katheter erfolgreich behandelt werden. Insgesamt ist die Therapie für Patienten mit geringer Beschwerdesymptomatik, die keinen längeren Krankenhausaufenthalt oder Ausfall im Arbeitsleben auf sich nehmen möchten, sehr gut geeignet.

Kontakt

Krankenhaus Nordwest
Klinik für Urologie und Kinderurologie
Chefarzt Prof. Dr. med. Dr. hc. E. W. Becht

Telefon: (0 69) 7601 - 3415