Krankenhaus Nordwest

Alles VATS oder was? Die Klinik für Thoraxchirurgie setzt den Schwerpunkt auf minimal invasive Operationsverfahren

Das Bronchialkarzinom gehört zu den häufigsten Krebserkrankungen in Deutschland. Bei Männern stellt es die Krebstodesursache Nummer eins dar, bei Frauen liegt es an dritter Stelle – Tendenz stark steigend. Bis vor wenigen Jahren wurden die Operationen bei Lungenkrebs über eine seitliche Eröffnung des Thorax (Thorakotomie) durchgeführt. Dabei werden Muskeln durchtrennt und zwischen die Rippen für die Dauer der OP ein Sperrer eingelegt, der den Interkostalraum auf bis zu 10 Zentimeter erweitert. Eine Rippenfraktur und chronische Schmerzsyndrome der Brustwand waren oft die Folge.

Die Entwicklung der minimal invasiven Operation in der Thoraxchirurgie, die sogenannte Video-Assisted-Thoracic-Sergery (VATS)-Technik, ist zweifellos der größte Fortschritt in der Thoraxchirurgie über die letzten 15 Jahre gewesen. Keine andere Neuerung hat die Arbeit von Thoraxchirurgen so grundlegend revolutioniert und auf diese Weise die chirurgische Erfahrung für die Patienten, die sich einer Lungenoperation unterziehen müssen, gewandelt.

In jeder chirurgischen Fachrichtung sind sich Patienten im 21. Jahrhundert des Benefits minimal invasiver Chirurgie bewusst. Die Thoraxchirurgie stellt hier keine Ausnahme dar. Überall in der Welt verlangen Patienten, die sich einer großen Lungenoperation unterziehen müssen, nach minimal invasiven Operationsverfahren. Damit ist der Trend für eine stetig steigende Anzahl an anatomischen Lungenoperationen, die mittels VATS durchgeführt werden, unaufhaltsam. Es wird vielmehr für Thoraxchirurgen in Zukunft schwierig werden, eine Rechtfertigung zu finden, warum im Zeitalter eines überwältigenden Vorteils des minimal invasiven Zugangs keine VATS durchgeführt wird – nicht nur um die Patientenmorbidität zu senken, sondern auch um das chirurgische Ergebnis zu verbessern.

In Deutschland wurde erst ab 2008 die VATS-Lobektomie (Entfernung eines oder mehrerer Lungenlappen) als minimal invasives Verfahren zur onkologischen Resektion von Bronchialkarzinomen eingeführt. In diesem Verfahren wird ohne Rippensperrer über eine ca. 3 Zentimeter lange Inzision und gegebenenfalls ein bis zwei kleinere Inzisionen die Resektion des tumorbefallenen Lungengewebes durchgeführt. Die gesamte Operation einschließlich der systematischen Entfernung der Lymphknoten entlang der Luftröhre erfolgt unter Kamerasicht. Mit speziellen, abwinkelbaren Klammernahtgeräten (Staplern) werden die Bronchien, die Blutgefäße und das Lungengewebe dicht verschlossen und durchtrennt. Anschließend können ganze Lungenlappen mit Hilfe eines Bergebeutels über die 3 Zentimeter lange Inzision geborgen und intraoperativ histologisch untersucht werden. Dieses Verfahren ist für Patienten deutlich schmerzärmer, reduziert durch die Möglichkeit einer frühzeitigen Mobilisation das Risiko postoperativer Komplikationen und führt zu einem besseren Erhalt der Lungenfunktion nach der Operation. Die Patienten können meist schon wenige Tage nach einer minimal invasiven VATS-Lobektomie nach Hause entlassen werden. Die Schwierigkeit der anatomischen VATS-Resektionen bzw. Lobektomie an der Lunge liegt in dem Blutungsrisiko der Lungengefäße. Dies sind Gefäße, die direkt aus dem Herzen kommen und in der Minute 4-6 Liter Blut transportieren. Aus diesem Grund stellt die VATS-Lobektomie technische Herausforderungen an den Operateur und setzt eine hohe Expertise im Bereich der Lungenchirurgie und minimal invasiven Chirurgie voraus. 

Die VATS-Lobektomie wird bisher bundesweit routinemäßig nur in wenigen Zentren durchgeführt. Im Krankenhaus Nordwest werden in der Klinik für Thoraxchirurgie die Mehrzahl der Eingriffe in minimal invasiver Technik durchgeführt, die VATS-Lobektomie zählt zu den Routineeingriffen der Abteilung. Weitere Indikationen der VATS liegen in der Behandlung der schweren Muskelschwächeerkrankung (Myasthenie), die durch die Entfernung der Thymusdrüse geheilt werden kann. Durch die VATS wird die Spaltung des Brustbeins (Sternotomie) vermieden und die Thymusdrüse kann komplett über die kleinen Schnitte entfernt werden.

Ebenso können frühzeitig erkannte Rippenfellvereiterungen (Pleuraempyem) durch eine VATS zur Ausheilung gebracht werden. Die VATS ist die Operationsmethode der Wahl bei der Behandlung des jugendlichen Lungenkollapses durch einen Lungenriss (juveniler Spontanpneumothorax). Bei Verletzungen des Brustkorbes können Blutansammlungen im Brustraum entstehen (Hämatothorax), die ebenfalls erfolgreich durch die VATS minimal invasiv behandelt werden. Die Hyperhidrose ist eine seltene neurologische Erkrankung, die durch eine pathologische Schweißabsonderung der Hände, der Achselhöhlen und des Gesichts gekennzeichnet ist. Durch die VATS-Technik wird der Grenzstrang (Nervus Sympathikus), der entlang der Wirbelkörper im Brustkorb verläuft, auf Höhe der entsprechenden Ganglien durchtrennt (Sympathektomie). Dies führt zur sofortigen Unterbindung der Schweißabsonderung. Für diesen Eingriff können extrem schmale VATS-Instrumente aus der Kinderchirurgie verwendet werden.

Häufig kommt die VATS-Methode bei tumorbedingten Flüssigkeitsansammlungen im Thorax (maligne Pleuraergüsse) zur Anwendung. Durch frühzeitiges Einbringen eines Medikaments (Talkumpleurodese) kann ein erneutes Nachlaufen der Flüssigkeit in über 90 Prozent der Fälle sicher verhindert werden. Bei einer Einziehung der vorderen Wand des Brustkorbs, welche als Trichterbrust bezeichnet wird und zu den Brustwandfehlbildungen zählt, kommt die VATS inzwischen ebenfalls routinemäßig zum Einsatz. Unter videothorakoskopischer Sicht wird durch zwei kleine Schnitte ein individuell ausgemessener und vorgebogener Spatel unter das Brustbein geschoben. Dieser drückt das eingesunkene Brustbein und die betroffenen Rippen nach außen. Diese OP-Methode wird nach ihrem Erstbeschreiber als „Nuss-Operation“ bezeichnet. Die Zukunft der VATS-Technik liegt in der Möglichkeit, Patienten in Lokalanästhesie und Sedierung ohne Intubation unter Spontanatmung zu operieren, im Angloamerikanischen „non-intubated VATS“ genannt. Hiervon profitieren vor allem ältere Patienten, bei denen dadurch Nebenwirkungen der Narkosemedikamente und das Pneumonierisiko verringert werden können.

Kontakt

In der Klinik für Thoraxchirurgie des Krankenhauses Nordwest kommen sämtliche VATS-Verfahren zur Anwendung, da die Abteilung über eine hohe Expertise auf diesem Gebiet verfügt. Zusammen mit der Universitätsklinik Charité in Berlin werden im Rahmen von Hospitationen deutschland- und europaweit thorax- chirurgische Kollegen geschult, damit die VATS-Lobektomie mit ihrem Benefit für die Patienten in weiteren Zentren eingeführt werden kann.

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